In der Verwalterpraxis wurde und wird ggf. auch noch bei Liquiditätsengpässen von Verwaltern gern in die Erhaltungsrücklage "gegriffen".[1] Dieser Weg ist ebenso bewährt wie – ist er nicht vorbereitet – nach der Rechtsprechung unzulässig.[2] Die von einem Wohnungseigentümer nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG auf die Erhaltungsrücklage gezahlten Mittel sind nach h. M. nämlich bereits mit dem Beschluss über die Vorschüsse zweckgewidmet und dürfen daher vom Verwalter ohne eine Bestimmung der Wohnungseigentümer mit ihrem Eingang auf dem für das Hausgeld bestimmten Konto nur für den Zweck "Erhaltung" eingesetzt werden.[3] Werden die Mittel ohne Erlaubnis zweckfremd eingesetzt, verhält sich der Verwalter pflichtwidrig und kann auf Schadensersatz haften.

Will der Verwalter die Mittel der Erhaltungsrücklage nutzen, müssen die Wohnungseigentümer das vereinbaren oder sie müssen es beschließen. Dabei ist auch nach der WEG-Reform 2020 unklar, ob ein einmaliger Beschluss ausreicht oder der Beschluss jährlich gefasst werden sollte.[4] Beide Wege zeigen – auch weil zusätzlich die Erhaltungsrücklage wieder aufgefüllt werden muss –, dass andere Methoden vorzuziehen sind.

 

Musterbeschluss: Ermächtigung des Verwalters zu Rückgriff auf Erhaltungsrücklage bei einem Liquiditätsengpass

TOP XX: Ermächtigung zu Rückgriff auf Erhaltungsrücklage bei Liquiditätsengpass

  1. Der Verwalter wird für den Fall, dass das Gemeinschaftsvermögen nicht ausreicht, die Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ______ [Name] zu bedienen, ermächtigt, einmalig [alternativ: zweimalig] Teile der Erhaltungsrücklage in Höhe von 3/12 der für das Jahr ___ [Angabe des Jahres] insgesamt geplanten Zuführung zur Bedienung von Betriebs- und Verwaltungskosten umzuwidmen.
  2. Der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats ist unverzüglich in Schriftform über den konkreten Anlass und die Höhe der umgewidmeten Mittel zu informieren.
  3. Ist absehbar, dass die umgewidmeten Mittel nicht ausreichen, ist eine Versammlung einzuberufen; deren Gegenstand sind die Information über die Vermögenslage und Mittel, einer Illiquidität entgegenzutreten. Ferner ist zu klären, wie die Erhaltungsrücklage wieder aufgefüllt wird.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: _____

Nein-Stimmen: _____

Enthaltungen: _____

Der Versammlungsleiter verkündete folgendes Beschlussergebnis:

______________

Der Beschluss wurde angenommen/abgelehnt.

Misslich ist die Verwendung der Mittel der Erhaltungsrücklage in jedem Fall. Da die Mittel für die Erhaltung angesammelt und als notwendig angesehen worden waren, sind sie der Erhaltungsrücklage wieder zuzuführen.[5] Die Erhaltungsrücklage ist damit immer nur ein Weg zur Zwischenfinanzierung. Besser ist daher ein Weg, der eine (Wieder-)Auffüllung der Erhaltungsrücklage vermeidet.

 

Abrechnung der umgewidmeten Erhaltungsrücklage

Hat sich der Verwalter mit Einverständnis der Wohnungseigentümer zur vorübergehenden Herstellung der Liquidität oder der Finanzierung des Hausgeldinkassos der Mittel der Erhaltungsrücklage bedient, muss er hierüber abrechnen. Ist die Forderung mittlerweile bedient worden, ist die Einnahme bei dem Ist-Bestand der Erhaltungsrücklage wieder einzubuchen.[6] Weist der Verwalter einen Vermögensstatus aus, so muss er diesen fortschreiben.[7] Die Forderung, auf welche die Einnahme erzielt wurde, ist durch Erfüllung erloschen, besteht nicht mehr, gehört also nicht mehr zum Vermögen. Indessen sollte das Bankguthaben angewachsen sein.

[1] Drasdo, NZM 2010, S. 217, 224.
[4] Drasdo, NZM 2010, S. 217, 224.
[5] Drasdo, NZM 2010, S. 217, 224, spricht von "darlehnsweise".
[6] Jacoby, ZWE 2015, S. 297, 302.
[7] Jacoby, ZWE 2015, S. 297, 302.

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