1 Leitsatz

Es entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, eine Liquiditätsrücklage zu bilden. Im Einzelfall können sich die Wohnungseigentümer dazu der Mittel der Erhaltungsrücklage durch Umwidmung bedienen.

2 Normenkette

§§ 19 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 WEG

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer beschließen, einen Teil der Erhaltungsrücklage – deren Höhe beträgt 126.000 EUR – i. H. v. 15.000 EUR in eine Liquiditätsrücklage umzuwidmen. Dagegen geht Wohnungseigentümerin K vor. Sie meint, die Bildung einer Liquiditätsrücklage sei weder dem Grunde noch der Höhe nach notwendig. Es widerspreche grundsätzlich der Zweckbestimmung einer Erhaltungsrücklage, hiervon Beträge für andere Maßnahmen als Erhaltungsmaßnahmen zu verwenden. Die Bildung einer Liquiditätsrücklage widerspreche außerdem den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Der Liquiditätsbedarf der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne anderweitig gesichert werden. Da das Wirtschaftsjahr mit einem Überschuss i. H. v. 10.328,52 EUR geendet habe, hätte es beispielsweise den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen, diesen Überschuss in eine Liquiditätsrücklage einzustellen.

4 Die Entscheidung

Die Anfechtungsklage bleibt erfolglos! Die Bildung einer Liquiditätsrücklage aus Mitteln der Erhaltungsrücklage entspreche im Fall ordnungsmäßiger Verwaltung i. S. d. § 19 Abs. 1 WEG. Eine Liquiditätsrücklage sei ein Mittel, kurzfristige Liquiditätsengpässe auszugleichen. Es gehe um die Problematik, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer womöglich fällige Forderungen zu befriedigen habe, für deren Begleichung keine ausreichenden liquiden Mittel zur Verfügung stünden, obwohl deren Eingang eingeplant oder prognostiziert gewesen sei. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe nachvollziehbar und plausibel vorgetragen, dass Engpässe gerade im ersten Quartal eines Jahres bei teilweise nicht eingehenden fälligen Hausgeldern und ansonsten noch nicht ausreichend vorhandenen Vorschüssen bei gerade auch im ersten Quartal eines Jahres eintretenden Fälligkeiten der Jahresprämien von Versicherungen entstehen könnten. Hinzu kämen die allen Beteiligten bekannten und weiter zu erwartenden Erhöhungen bei Energiekosten, die unvermittelt gerade im ersten Quartal eines Jahres auftreten könnten. Die Bildung einer Liquiditätsrücklage sei für diese Fälle ein probates Mittel, damit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht vorübergehend in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate.

Wohnungseigentümer seien im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung auch dazu berechtigt, Teile der Erhaltungsrücklage umzuwidmen und sie als Betriebs- und Verwaltungsmittel zu verwenden oder auch an sich auszukehren. Die Angemessenheit sei nach den konkreten Verhältnissen zu beurteilen. Hierbei könnten Zustand und Alter der Wohnungseigentumsanlage, die Reparaturanfälligkeit sowie auch anstehende Reparaturen als Basis einer Prognose dienen. Ob es ausreiche, dass nach Umwidmung in der Erhaltungsrücklage nur eine "eiserne Reserve" verbleibe, oder ob eine angemessene Höhe, die über eine "eiserne Reserve" deutlich hinausgehe, erhalten bleiben müsse, könne dahingestellt bleiben. Denn auch nach Abzug der Liquiditätsrücklage sei die verbliebene Höhe der Erhaltungsrücklage als angemessen anzusehen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Bildung einer Liquiditätsrücklage. Zum einen wird gefragt, ob ihre Bildung einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. Und zum anderen wird gefragt, ob es einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht, für die Bildung der Liquiditätsrücklage Mittel der Erhaltungsrücklage umzuwidmen.

Bildung einer Liquiditätsrücklage

Die Wohnungseigentümer sind befugt, durch Beschluss weitere Rücklagen vorzusehen. Diese Rücklagen unterscheiden sich von der Erhaltungsrücklage. Bei dieser besteht für das "Ob" kein Ermessen, nur für das "Wie". Bei allen anderen Rücklagen haben die Wohnungseigentümer ein Ermessen, ob sie diese bilden und wie sie diese ausgestalten wollen. Eine dieser Rücklagen ist die Liquiditätsrücklage. Ihre Bildung entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung und ist ein Mittel, kurzfristigen Liquiditätsengpässen zu begegnen.

Mittel für die Liquiditätsrücklage: Umwidmung der Erhaltungsrücklage

Die Wohnungseigentümer können die Liquiditätsrücklage "ansparen". Dann ist eine entsprechende Position im Gesamtwirtschaftsplan vorzusehen. Ein anderer Weg – der gegebenenfalls kumulativ zu gehen ist – besteht darin, vorhandene Mittel in Mittel der Liquiditätsrücklage zu überführen. Dazu können die Wohnungseigentümer, wie im Fall, auch in die Mittel der Erhaltungsrücklage eingreifen. Dieser Eingriff ist jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn auch nach dem Eingriff ausreichend Mittel verbleiben. Im Fall hat das AG diesen Umstand festgestellt.

6 Entscheidung

AG Lübeck, Urteil v. 18.3.2022, 35 C 52/21

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