Hans Lauschke, Jolanta Zupkauskaité
I. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 62
Für den Eintritt der Erbfolge muss der Erbe gem. Art. 5.50 lit. BGB die Erbschaft annehmen. Eine teilweise Annahme oder eine Annahme, die Bedingungen oder Ausnahmen unterliegt, ist nach Art. 5.50.1 lit. BGB nicht möglich. Der Erbe ist berechtigt, zur Annahme bzw. Ausschlagung eine Person zu bevollmächtigen oder einen Vertretungsvertrag abzuschließen.
Rz. 63
Die Annahme kann nach Art. 5.50.2 lit. BGB entweder ausdrücklich gegenüber dem zuständigen Notar oder stillschweigend durch die faktische Inbesitznahme des Nachlasses erfolgen. In beiden Fällen gilt grundsätzlich die unbeschränkte Haftung, d.h., der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten mit dem Nachlass und seinem eigenen Vermögen. Falls mehrere Erben die Erbschaft angenommen haben, haften diese solidarisch und unbeschränkt (Art. 5.52.1 lit. BGB). In diesem Fall kann der Gläubiger die Leistung von allen solidarisch Haftenden zusammen oder von jedem Einzelnen getrennt fordern. Wurde die Leistung von einem der Schuldner bewirkt, so kann dieser von den anderen Erben deren jeweils ererbten Teil des Nachlasses entsprechend einfordern.
Rz. 64
Allerdings bestehen gesetzliche Ausnahmen zu der grundsätzlich unbeschränkten Erbenhaftung. Der Erbe haftet auch ohne die Beantragung eines Nachlassverzeichnisses nur beschränkt, wenn z.B. Unterhaltspflichten für einen geschiedenen Ehegatten oder für Kinder bestehen; in diesen Fällen gehen die Pflichten auf die Erben nur unter Berücksichtigung des geerbten Vermögens über und Art. 5.52 lit. BGB findet in diesem Fall keine Anwendung (Art. 3.72.12, 3.194.5 lit. BGB). Falls der Verstorbene kein Vermögen hatte, endet die Zahlungspflicht (Art. 6.128.1 lit. BGB). Der Staat haftet stets nur mit dem geerbten Vermögen (Art. 5.62.3, 4.193.4 lit. BGB).
Rz. 65
Es ist möglich, die Haftung zu beschränken und die Erbschaft auf Basis eines Nachlassverzeichnisses beim zuständigen Gericht anzunehmen (Art. 5.53 lit. BGB). In diesem Fall haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten nur mit dem Erbvermögen.
Rz. 66
Anders als im deutschen Recht sieht das litauische Recht eine Frist für die Annahme der Erbschaft vor. Der Erbe muss gem. Art. 5.50.3 lit. BGB die Erbschaft innerhalb von drei Monaten ab dem Tag der Entstehung des Erbschaftsrechts annehmen. Der Erbberechtigte kann die Erbschaft auch nach Fristablauf annehmen, falls die anderen Erben damit einverstanden sind, welche die Erbschaft bereits angenommene hatten. Dabei ist zu beachten, dass das Recht auf die Erbschaft in diesem Fall beschränkt ist (Art. 5.57.1 lit. BGB). Der Erbe kann gem. Art. 5.57.2 lit. BGB nach Überschreitung der Annahmefrist nur das erben, was zum Zeitpunkt seiner Erbschaft noch tatsächlich vorhanden ist. Sollte inzwischen von der Erbmasse nichts mehr existieren, hat er keinen Anspruch. Falls die Frist zur Annahme der Erbschaft wegen eines wichtigen Grundes versäumt wurde, kann eine Fristverlängerung beim zuständigen Gericht beantragt werden (Art. 5.57.1 lit. BGB). Das zuständige Gericht stellt erstens fest, ob die vom Antragsteller angegebenen Umstände vorhanden waren, und zweitens, ob diese Umstände einen wichtigen Grund für die Überschreitung der Annahmefrist darstellen. Außerdem klärt es auch die Position der anderen Erben, die den Nachlass bereits angenommen haben, und informiert bei Bedarf weitere betroffene Personen über die Fristverlängerung.
Rz. 67
Neben der Möglichkeit, das Erbe anzunehmen, besteht auch die Möglichkeit, es durch Antrag bei dem zuständigen Notar auszuschlagen. Dies muss innerhalb von drei Monaten nach der Entstehung des Erbanspruchs geschehen (Art. 5.60.1 lit. BGB). Eine teilweise Ausschlagung oder eine Ausschlagung, die Bedingungen oder Ausnahmen unterliegt, ist nicht möglich.
Rz. 68
Die Ausschlagung beschränkt sich grundsätzlich auf die Fälle, in denen die Annahme der Erbschaft durch faktische Übernahme des Besitzes am Nachlass geschehen ist. Gemäß Art. 5.60.4 lit. BGB ist es dem Erben verboten, die Erbschaft auszuschlagen, wenn er schon die Annahme der Erbschaft beim Notar erklärt bzw. die Ausstellung des Erbscheins bei diesem beantragt hat. Die Ausschlagung ist zudem ausgeschlossen, wenn der Erbe gerichtlich ein Nachlassverzeichnis beantragt hat. Die Ausschlagung ist unwiderruflich. Die Ausschlagung ist allerdings ein Rechtsgeschäft, das gemäß den allgemeinen Vorschriften des litauischen Zivilgesetzbuches für ungültig erklärt werden kann.
Rz. 69
Die Annahme und die Ausschlagung der Erbschaft können nur geschäftsfähige Erben erklären. Bei geschäftsunfähigen Erben setzen Annahme bzw. Ausschlagung eine entsprechende Entscheidung der gesetzlichen Vertreter sowie die Zustimmung des Gerichts voraus (Art. 3.244.3, Art. 3.188.1.2 lit. BGB). Bei beschränkt geschäftsfähigen Erben (Kindern von 14 bis 18 Jahren) müssen die Eltern die Zustimmung für die Annahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft geben (Art. 5.56 lit. BGB). Bei sonstigen beschränkt geschäftsfähigen Erben (z.B. psychisch Kranken) ist die Zustimmung der Eltern oder ei...