Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Untätigkeitsverfahren. Verfahrensgebühr. doppelte Mindestgebühr. Erledigungserklärung nach Erlass des Verwaltungsakts. keine (fiktive) Terminsgebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verfahrensgebühr (Nr 3102 VV RVG) für ein Untätigkeitsklageverfahren ist regelmäßig deutlich unterhalb der Mittelgebühr zu bemessen (hier: doppelte Mindestgebühr).
2. In Fällen des Erlasses des beantragten Verwaltungsakts und anschließender Erledigungserklärung im Untätigkeitsklageverfahren fällt eine (fiktive) Terminsgebühr (Nr 3106 VV RVG) nicht an (vgl LSG Stuttgart vom 2.7.2019 - L 10 SF 4254/18 E-B = Justiz 2020, 41).
Tenor
Die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.01.2020 (S 22 SF 4257/18 E) wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Über die Beschwerde entscheidet der Berichterstatter des alleine für Kostensachen zuständigen 10. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg als Einzelrichter ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 155 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 und 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG -); die Streitsache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat die Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzungsverfügung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Gerichts (UdG) vom 06.02.2018 mit Beschluss vom 24.01.2020 zu Recht zurückgewiesen. Es hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage der gleichermaßen ausführlichen wie zutreffenden Begründung der Vergütungsfestsetzungsverfügung und unter Darstellung der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Einzelnen dargelegt, dass und warum der Erinnerungsführer keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung aus der Staatskasse für seine Tätigkeit als nach dem Recht der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneter Rechtsanwalt in dem Hauptsacheverfahren S 6 AS 1467/17 (vorheriges Az.: S 6 AS 2229/14) hat. Dabei hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Bewertung von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in einem Untätigkeitsklageverfahren dessen eingeschränkter Streitgegenstand (Erlass des begehrten Verwaltungsakts) zu berücksichtigen ist, dass die Klärung materiell-rechtlicher Fragen im Hinblick auf den Inhalt der begehrten Verwaltungsentscheidung außerhalb der allein klagegegenständlichen Untätigkeit der Behörde liegt und dass bzw. warum die Tätigkeit des Erinnerungsführers in Ansehung dessen hier nur als deutlich unterdurchschnittlich zu qualifizieren und damit mit einer Verfahrensgebühr (Nrn. 3102, 1008 des Vergütungsverzeichnisses - VV - zu § 2 Abs. 2 RVG) unterhalb der sog. Mittelgebühr (hier: doppelte Mindestgebühr aus dem wegen einem zusätzlichen Auftraggeber erhöhten Betragsrahmen ab 65,00 € x 2 = 130,00 €) zu vergüten ist. Das SG hat ferner zutreffend und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Senatsbeschluss vom 02.07.2019, L 10 SF 4254/18 E-B, in juris, Rdnrn. 14 ff. m.w.N.) entschieden, dass der (außergerichtliche) Erlass des begehrten Verwaltungsakts mit anschließender einseitiger Erledigungserklärung keine Beendigung „nach angenommenem Anerkenntnis“ i.S.d. Anm. Satz 1 Nr. 3 zu Nr. 3106 VV RVG darstellt und dass eine erweiternde Auslegung bzw. analoge Anwendung dieser Gebührenbestimmung nicht in Betracht kommt, sodass eine (fiktive) Terminsgebühr nicht gerechtfertigt ist. Der Senat nimmt darauf - ebenso wie auf die entsprechende Begründung der Vergütungsfestsetzungsverfügung - Bezug, sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidungen zurück (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Soweit der Erinnerungsführer meint, die Untätigkeitsklage sei „umfangreich“ begründet worden, hat bereits das SG darauf hingewiesen, dass dies - gemessen an durchschnittlichen sozialgerichtlichen Verfahren - schlicht unzutreffend ist. Zum anderen ist der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit objektiv zu bestimmen. Es kommt auf den zeitlichen Aufwand an, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste (vgl. nur Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2019, B 14 AS 48/18 R, in juris, Rdnrn. 17, 20 m.w.N.). Die sog. Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) ist als eine bloß auf formelle Bescheidung gerichtete Bescheidungsklage ausgestaltet (BSG, Urteil vom 23.08.2007, B 4 RS 7/06 R, in juris, Rdnr. 16) und richtet sich allein auf den Erlass des begehrten (Widerspruchs-) Bescheids durch die Behörde und nicht auf die Klärung eines materiell-rechtlichen Rechtsverhältnis...