Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Auswirkungen der Verböserung im Widerspruchsbescheid auf die Art des vorläufigen Rechtsschutzes.

2. Eine Rollstuhlfahrerin, die bisher im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII die Kosten für die im sog. "Assistenzmodell" beschäftigten Pflegekräfte erstattet bekommt, muss sich auf kostengünstigeren Pflegedienst verweisen lassen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. Dezember 2007 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Antragstellerin (Ast) begehrt vorläufig höhere Hilfe zur Pflege, hauswirtschaftlichen Versorgung und Eingliederungshilfe.

Die Ast ist auf Grund einer Querschnittslähmung pflegebedürftig (Pflegestufe III). Sie ist zu 75 % erwerbstätig, woraus sie Einkommen in Höhe von monatlich 1291,98 € erzielt. Versorgt wurde sie vom Deutschen Roten Kreuz L. mit Hilfsdienst durch Zivildienstleistende bzw. Praktikanten im Freiwilligen Sozialen Jahr. Die Kosten hierfür betrugen im Juli 2005 1.250,44 € (Bl. 68 VA). Nachdem der Pflegevertrag zum 30.09.2005 gekündigt worden war, beantragte sie beim Antragsgegner (Ag) die Übernahme von Pflegekosten für eine 24 Stunden Pflege, die sie durch eigene angestellte Kräfte sicherstellen wollte (sog. “Assistenz- oder Arbeitgebermodell„) und deren Kosten sie mit 6.716, 76 € monatlich veranschlagte.

Mit Bescheid vom 31.10.2005 lehnte die Ag den Antrag (zunächst) wegen einzusetzenden Vermögens (25.755,94 €) ab (Bl.140 VA).

Die Ast stellte ab 01.04.2006 ihre Pflege durch drei eigens angestellte Hilfskräfte sicher. In der Folgezeit bewilligte die Ag für die Zeiträume vom 01.04. bis 30.09.2006 und 01.10.2006 bis 31.03.2007 Hilfe zur Pflege in Höhe von 3.813,30 € monatlich, ausgehend von einem Hilfebedarf von 9,51 Stunden pro Tag auf der Grundlage des von der Ast vorgelegten Assistenzmodells, weil die Ag nach Vorlage von Nachweisen entschied, dass das Vermögen geschützt sei (Bescheide vom 27.04.2006 und 29.09.2006). Mit Bescheid vom 16.03.2007 (ergangen in der Form eines Schreibens ohne Rechtsmittelbelehrung) teilte die Ag mit, sie werde bis zur endgültigen Klärung des Leistungsanspruchs “vorläufig weiterhin„ den Betrag von 3.813,30 € überweisen. Alle Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt, dass eine günstigere zumutbare Hilfemöglichkeit weiterhin nicht gefunden werden könne. Gegen alle Bescheide - mit Ausnahme des vom 16.03.2007 - legte die Klägerin Widerspruch ein, weil sie mit der Höhe der Kostenübernahme nicht einverstanden war und gesundheitliche Nachteile durch eine pflegerische Unterversorgung befürchtete. Zwischenzeitlich wurde versucht, den tatsächlichen Pflegebedarf zu ermitteln (Pflegegutachten und Stellungnahme des Pflegedirektors B. vom 16.09.2005 und 27.02.2006 ≪Bl. 72, 123 VA≫ und Prof. B.-B./Krankenpfleger Bu., Institut für Pflegewissenschaft - Private Universität Witten/Herdecke gGmbH vom 10.09.2006, Bl. 201 VA) und günstigere alternative Hilfemöglichkeiten zu finden (Bl. 235, 247, 248, 273 VA).

Mit Bescheid vom 30.07.2007 trug die Ag einem gesteigerten Pflegebedarf der Ast (13 Stunden/Tag) Rechnung und bewilligte Leistungen in Höhe von - maximal - 5.042 € monatlich für die Zeit vom 01.08.2007 bis 31.03.2008, ebenfalls unter dem Vorbehalt einer günstigeren Alternative. Hiergegen legte die die Ast ebenfalls Widerspruch ein.

Am 31.08.2007 stellte die Ast beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Ag zur Übernahme der Kosten für selbstangestellte Pflegekräfte zur Hilfe zur Pflege und weiterer hierdurch entstehender Kosten ausgehend von einem Bedarf von 16 Stunden zu verpflichten. Streit bestand bis dahin lediglich über den Umfang des Bedarfs. Der Ag hielt unter Hinweis auf die Höherbewilligung, mit dem der Pflegebedarf abgedeckt sei, und das zur Überbrückung einsetzbare erhebliche Vermögen, das nach einer Überprüfung nur im Umfang von ca. 997 € - sofern kein Anspruch auf Kindergeld bestehe - zur Kreditabzahlung für die Eigentumswohnung ab 2014 benötigt werde, weder einen Anordnungsanspruch noch einen -grund für gegeben.

Mit Schreiben vom 18.10.2007 verwies der Ag die Ast auf die Möglichkeit, sich kostengünstiger durch die von der Stiftung Innovation und Pflege, S., in Kooperation mit der Sozialstation M. angebotene ambulante 24-Stunden-Pflege versorgen zu lassen, womit auch der Streit über den Pflegeumfang erledigt sei. Hierdurch reduziere sich der sozialhilferechtliche Anspruch von bisher 5.042 € auf 2.536 € monatlich. Dies lehnte die Ast mit der Begründung ab, dass Belege über den Pflegedienst nicht vorlägen, Unklarheit über eine bedarfsdeckende Leistungsmöglichkeit bestehe, das System mit 14-tägiger Rundumbetreuung durch eine Person im Wechsel “arbeitszeitrechtlich illegal„ sei, zudem Kost und Logis geschuldet seien und eine Pflegefachkraft für die medizinische Versorgung nicht zur Verfügung stehe. Außerdem müsse sich die Ast gemäß § 66 Abs...

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