Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenauferlegung. Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung. keine Auseinandersetzung mit entgegenstehenden höchstrichterlichen Entscheidungen. Fremdrentenrecht. Übergangsregelung. Kürzung der Entgeltpunkte aus fremdrechtlichen Beitrags- und Beschäftigungszeiten. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Wird das Begehren auf Gewährung höherer Rente ohne Anwendung der vom anwaltlich vertretenen Rentenbezieher für verfassungswidrig gehaltenen Regelung des § 22 Abs 4 FRG trotz Kenntnis der hierzu ergangenen Entscheidungen des BVerfG vom 13.6.2006 - 1 BvL 9/00 ua = BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 und vom 15.7.2010 - 1 BvR 1201/10 = SozR 4-5050 § 22 Nr 11 weiterverfolgt, erweist sich die Rechtsverfolgung als missbräuchlich iS des § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG (Anschluss an LSG Stuttgart vom 6.9.2010 - L 10 R 1492/10).
2. Die Absicht, nach (erfolgloser) Ausschöpfung des Rechtswegs den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen, lässt die Missbräuchlichkeit jedenfalls dann nicht entfallen, wenn sie nur unsubstantiiert behauptet wird und eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den dem verfolgten Begehren entgegenstehenden höchstrichterlichen Entscheidungen nicht erfolgt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Kläger hat Kosten des Gerichts in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt höhere Altersrente ohne Kürzung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnenden Entgeltpunkte (EP).
Der 1939 geborene Kläger siedelte am 29. Juli 1975 aus Kr., Rumänien kommend in die Bundesrepublik Deutschland über. Er ist Inhaber eines Vertriebenenausweises “A„. Im Herkunftsland hatte er zunächst als Maschinenschlosser gearbeitet und im Juni 1973 an der Universität Br. die akademische Qualifikation eines “Ingener in specialitatea Tehnologia Constructiilor de Masini„ erworben. Gemäß der nach der Übersiedlung ausgestellten Urkunde des Kultusministeriums Baden-Württemberg vom 29. Oktober 1975 berechtigte dies den Kläger, in der Bundesrepublik Deutschland den Titel eines Diplomingenieurs zu führen. Nach Absolvierung des Studienreferendariats (6. Februar 1976 bis 20. Juni 1977) war der Kläger ab 1. Oktober 1977 zunächst als Studienassessor und zuletzt als Oberstudienrat (Besoldungsgruppe A14) an der gewerblichen Schule in Eh. beschäftigt. Mit Ablauf des 31. Juli 1999 wurde der Kläger gemäß § 52 Satz 1 Nr. 2 Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg in den Ruhestand versetzt und bezog ab 1. August 1999 ein Ruhegehalt in Höhe von (anfänglich) 5.028,15 DM monatlich (Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 10. Mai 1999). Nach mehreren Kontenklärungsverfahren gewährte ihm die Beklagte mit Rentenbescheid vom 27. Mai 2004 Regelaltersrente ab 1. Juli 2004 in Höhe von (anfänglich) 320,80 € monatlich. Bei der Berechnung der Rente kürzte die Beklagte in Anwendung des durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1461) eingefügten § 22 Abs. 4 FRG die EP für die nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten des Klägers um 40 v.H. durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 22. Juni 2004 Widerspruch und trug zur Begründung vor, er halte die Kürzung der Entgeltpunkte durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6 für verfassungswidrig. Durch die Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) werde er in dieser Rechtsansicht bestätigt. Nachdem der Kläger einem Ruhen des Widerspruchsverfahrens ausdrücklich widersprochen hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2004 zurück. Die beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur streitentscheidenden Rechtsfrage anhängigen Vorlageverfahren (Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) und Verfassungsbeschwerden (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) berechtigten sie nicht, die Rente entgegen den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben festzustellen.
Die hiergegen am 1. Oktober 2004 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobene, ausschließlich auf Gewährung der Altersrente ohne Kürzung der nach dem FRG ermittelten EP um 40 v.H. gerichtete Klage hat das SG mit Urteil vom 23. Februar 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die vorgenommene Absenkung der EP für nach dem FRG anerkannte Zeiten um 40 v.H. sei gesetzeskonform, denn gemäß § 22 Abs. 4 FRG seien die nach § 22 Abs. 1 und 3 FRG maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen. Die Kürzung sei nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG (Urteile vom 1. Dezember 1999 - B 5 RJ 26/98 R und B 5 RJ 24/98 R) sowie derjenigen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG; Urteil vom 28. Mai 1998 - L 9 RJ 3718/97) auch verfassungsgemäß; dieser Rechtsprechung schließe sich die erkennende Kammer an.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 1. März 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. März 200...