Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Verschuldenskosten. Auferlegung von Verfahrenskosten auf die Behörde wegen unterlassener Ermittlungen im Verwaltungsverfahren. Unverzichtbarkeit der nachgeholten Ermittlungen. Zeitpunkt der Auferlegung. Beschwerdeverfahren. Kostenentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Verschuldenskosten können der Beklagten auferlegt werden, wenn die vom SG nachgeholten Ermittlungen unverzichtbar für die zu treffende Entscheidung gewesen sind. Die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen ist unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen und deren höchstrichterlicher Auslegung zu beurteilen.
2. Die Entscheidung, ob der Beklagten Verschuldenskosten aufzuerlegen sind, kann vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens getroffen werden.
3. Bei dem Beschwerdeverfahren handelt es sich um ein selbstständiges, nicht kontradiktorisches Verfahren im Rahmen des von den Beteiligten betriebenen Hauptsacheverfahrens. Eine Kostenentscheidung zugunsten des Klägers des Hauptsacheverfahrens scheidet damit aus. In diesem Verfahren findet jedoch § 197a SGG Anwendung, weshalb Gerichtskosten anfallen und zu erheben sind.
Normenkette
SGG § 192 Abs. 4 S. 1, § 197a; SGB X §§ 20-21
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 9. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin, Beklagte des anhängigen Rechtsstreits, gegen die Auferlegung von Verschuldenskosten.
Der Kläger des Hauptsacheverfahrens begehrt von der Beschwerdeführerin wegen eines Unfalles vom 26.10.2007 (beim Abbremsen seines Lkw vor einer Ampel kippte das Führerhaus nach vorne auf die Fahrbahn) die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 07.02.2008 hinaus. Der Kläger wurde mit dem Verdacht auf eine Halswirbelsäulen-Distorsion ambulant in der Klinik am E. in G. behandelt. Der Unfallchirurg B. berichtete am 26.11.2007 - neben einer anhaltenden Schmerzsymptomatik im Bereich der HWS und BWS - über massive Angstzustände des Klägers, die ihm das Fahren und Benutzen von Personenkraftwagen zurzeit nicht möglich machten. Er veranlasste eine Kernspintomographie der HWS und des Schädels sowie eine psychiatrische Untersuchung. Am 06.11.2007 erfolgte eine neurologische Untersuchung im C. Bad G. einschließlich einer CT des Schädels, mit welcher eine knöcherne Verletzung, eine Blutung oder sonstige intracerebrale Unfallfolgen ausgeschlossen werden konnten. Vom 24.01.2008 bis 25.01.2008 befand sich der Kläger mit der Diagnose “spezifische, posttraumatisch entstandene Phobie (ICD10: F40.2)„ in stationärer psychotherapeutischer Behandlung bei Priv.-Doz. Dr. Dipl.-Psych. H., C. Bad G.. Dort wurde über eine seit dem Unfall bestehende große Angst vor dem selbstständigen Autofahren berichtet, das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgeschlossen. Arbeitsunfähigkeit wurde aufgrund der Vorstellung am 01.02. und 15.02.2008 “bis auf weiteres„ bescheinigt (Vorlage der Auszahlscheine durch die AOK N.-F., Bl. 101 ff. d. Akten). Unter derselben Diagnose (“spezifische, posttraumatisch entstandene Phobie [ICD10: F40.29„]) erfolgte eine weitere stationäre Behandlung vom 29.04.2008 bis 11.06.2008. Priv.-Doz. Dr. Dipl.-Psych. H. führte in seinem Bericht vom 20.06.2008 aus, durch die erfolgte Behandlung habe eine deutliche Abnahme der Pkw-Phobie erreicht werden können. Er (der Kläger) habe sich aber entschieden, nicht wieder in seinem Beruf als Lkw-Fahrer zu arbeiten, weil er sich eine Lkw-Exposition zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen könne.
Bereits mit Schreiben vom 03.03.2008 forderte die Beklagte die Verletztengeld auszahlende AOK N. F., G., auf, die Zahlungen einzustellen und lehnte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 03.07.2008 die Gewährung von Leistungen über den 07.02.2008 hinaus ab. Das Unfallereignis sei nach Art und Schwere nicht geeignet gewesen, eine psychotraumatologische Symptomatik hervorzurufen. Bei der diagnostizierten phobischen Störung sei von einer vorbestehenden Persönlichkeitsstörung auszugehen.
Diese Auffassung stützte die Beklagte auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. F., welcher unter dem 24.06.2008 ausführte, dass das Unfallereignis nach Art und Schwere nicht geeignet gewesen sei, eine psychotraumatologische Symptomatik hervorzurufen. Die bestehende phobische Störung sei nach dem Bericht des behandelnden Chirurgen möglicherweise schon früher vorhanden gewesen und auch die Diagnosen spezifische Persönlichkeitsstörung, Abhängigkeitssyndrom deuteten darauf hin, dass hier Faktoren im Vordergrund stünden, die in der Persönlichkeit und Situation des Patienten begründet seien. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg.
In dem sich vor dem Sozialgericht Ulm (SG) anschließenden Klageverfahren, mit dem der Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere Leistungen nach den § 56 f...