Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Grundsicherungsleistungen für den Unionsbürger nach Verlust seines Daueraufenthaltsrechts

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Unionsbürger führt eine Abwesenheit aus Deutschland aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund von mehr als zwei aufeinanderfolgenden Jahren nach § 4 a Abs. 7 FreizügG zum Verlust seines Daueraufenthaltsrechts. Damit gehört er nicht mehr zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 7 SGB 2.

2. Von der Öffnungsklausel des Art. 24 Abs. 2 EGRL 38/2004 hat der deutsche Gesetzgeber mit dem in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 geregelten Leistungsausschluss für arbeitsuchende Ausländer Gebrauch gemacht.

3. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Kap. 3 Abschn. 2 des SGB 2 sind keine Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, sondern Sozialhilfeleistungen i. S. des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie. Kann der Unionsbürger eine tatsächliche Beschäftigungssuche nicht glaubhaft machen, so wird er vom Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 erfasst.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Stuttgart vom 22.10.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragssteller begehrt mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1982 geborene Antragssteller besitzt die italienische Staatsangehörigkeit. Er ist mit seinen Eltern 1997 nach Deutschland gezogen, wo er die Hauptschule besucht und abgeschlossen hat. In den Jahren 2000 und 2001 hat er in Deutschland gearbeitet, anschließend war er arbeitslos. Von 2004 bis 2008 lebte er in Italien, war teilweise arbeitslos und hat vom 01.01.2008 bis zum 20.12.2008 dort gearbeitet. Nach Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses ist der Antragssteller Ende 2008 wieder zu seinen Eltern nach R. gezogen. Dort hat er zunächst einen Antrag auf Arbeitslosengeld I gestellt, welcher aber mit Bescheid vom 18.06.2009 mit der Begründung abgelehnt wurde, dass er in den letzten beiden Jahren nicht wenigstens 12 Monate in einem Versicherungsverhältnis gestanden habe.

Am 08.06.2009 hat der Antragssteller erstmalig beim Antragsgegner vorgesprochen und Leistungen zur Grundsicherung beantragt. Dabei wurde ihm jedoch vom Antragsgegner mitgeteilt, dass er aufgrund seiner Einreise zur Arbeitsuche wohl keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II habe.

Am 23.09.2009 stellte der Antragssteller beim Sozialgericht Stuttgart (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz.

Der Antragsgegner lehnte den Antrag des Antragstellers mit Bescheid vom 12.10.2009 mit der Begründung ab, dass die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ) für einen Anspruch nicht vorlägen, weil der Antragssteller lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland habe. Gegen den Bescheid legte der Antragssteller Widerspruch ein.

Zur Begründung seines Antrags trug der Antragssteller vor, dass er nicht allein zur Arbeitsuche nach Deutschland eingereist sei, sondern weil er bei seinen Eltern leben wollte und müsste. Zudem habe er einen Anspruch auf Leistungen gemäß § 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA).

Mit Beschluss vom 22.10.2009 lehnte das SG den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ab. Nach summarischer Prüfung habe der Antragssteller keinen Anspruch auf Leistung zur Grundsicherung nach dem SGB II. Die Voraussetzungen für eine Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II lägen in der Person des Antragsstellers zwar grundsätzlich vor. Allerdings seien von der Leistungsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Dies sei beim Antragssteller vorliegend der Fall. Sein Aufenthaltsrecht ergebe sich allein aus dem - vom Antragsteller u.a. eingeräumten - Zweck der Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), wonach Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt sind, die sich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Der Antragsteller sei nach eigenem Vortrag im Dezember 2008 nach Deutschland gezogen und suche hier Arbeit. Sein Einwand, der Aufenthalt diene auch dem Zweck, bei seinen Eltern zu leben, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn hieraus lasse sich kein Aufenthaltsrecht ableiten. Mit der Ausreise spätestens im Jahr 2004 habe der Antragssteller ein zuvor begründetes Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU verloren. Denn mit der Ausreise nach Italien sei auch eine bei der zuständigen Agentur für Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit entfallen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU). Seit der erneuten Einreise ins Bundesgebiet übe der Antragssteller keine Erwerbstätigkeit aus, die den Arbeitnehmerstatus begründen könnt...

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