Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vorrangigkeit der Familienversicherung gegenüber nachgehendem Leistungsanspruch. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine Familienversicherung hat nach § 19 Abs 2 Satz 2 SGB 5 Vorrang vor dem nachgehenden Leistungsanspruch. Diese in Kenntnis der gegenteiligen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 7.5.2002 - B 1 KR 24/01 R = BSGE 89, 254 = SozR 3-2500 § 19 Nr 5) mit Wirkung vom 1.1.2004 eingeführte Vorschrift verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25.07.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) vom 05. bis 31.01.2010 streitig.
Die 1959 geborene, verheiratete Klägerin war aufgrund ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Metzgerei Z. Mitglied bei der Beklagten. Am 15.11.2009 erhielt sie die Kündigung zum 31.12.2009. Sie meldete sich deshalb am 30.11.2009 bei der Agentur für Arbeit (AA) Mannheim zum 01.01.2010 arbeitslos. Diese stellte für die Zeit vom 01. bis 07.01.2010 den Eintritt einer Sperrzeit wegen verspäteter Meldung nach § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 7 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGG III) fest und bewilligte ab dem 08.01.2010 Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 25.01.2010 hob sie die Entscheidung über Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 08.01.2010 auf. Zur Begründung wurde “Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall„ angegeben. Arbeitslosengeld wurde für den Zeitraum vom 05.01. bis 05.02.2010 nicht ausgezahlt (Bescheinigung der AA Mannheim vom 05.05.2010). Erst ab dem 08.02.2010 erhielt die Klägerin Arbeitslosengeld.
Ab dem 05.01.2010 attestierte die Gemeinschaftspraxis Dres. St./R. Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen Unwohlsein und Ermüdung (ICD-10: R53 G), die voraussichtlich bis 17.01.2010 bestehe. Mit Folgebescheinigungen vom 18.01.2010 (voraussichtliche Dauer der AU: 23.01.2010) und 22.01.2010 (voraussichtliche Dauer der AU: 05.02.2010) bescheinigten diese weiterhin AU. Im Auszahlungsschein vom 01.02.2010 wurde angegeben, die Klägerin sei weiterhin wegen Unwohlsein und Ermüdung bis einschließlich 05.02.2010 arbeitsunfähig. Mit Bescheid vom 03.02.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krg ab, da bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 05.01.2010 keine Versicherungspflicht bestanden habe und sie dem Grunde nach mit Anspruch auf Familienversicherung über ihren Ehemann versichert gewesen sei. Sie sei deshalb ab dem 01.01.2010 ohne Anspruch auf Krg versichert.
Hiergegen legte die Klägerin am 08.02.2010 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, sie habe einen Leistungsanspruch gemäß § 19 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Dieser nachwirkende Anspruch werde durch das Vorliegen einer anderweitigen Versicherung nicht ausgeschlossen, wenn diese die betreffende Leistung (hier Krg) nicht vorsähe. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.05.2002 (B 1 KR 24/01 R). Ein Anspruch auf Krg sei auch nicht aufgrund der Regelung in § 19 Abs 2 Satz 2 SGB V ausgeschlossen. Es sei nicht ersichtlich, dass das BSG seine Rechtsauffassung nach Einführung der genannten Vorschrift mit Wirkung zum 01.01.2004 nicht aufrechterhalten wolle. Dies gelte umso mehr, als es ansonsten zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung und einem Verstoß gegen Art 3 und 6 Grundgesetz (GG) käme. Verheiratete hätten in einem Fall wie diesem keinen Anspruch auf Krg, Unverheiratete, die keine Möglichkeit der Familienversicherung hätten, dagegen schon. Hätte der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 19 Abs 2 Satz 2 SGB V einen Krg-Anspruch von Familienversicherten in der Nachversicherungsfrist des § 19 Abs 2 SGB V generell ausschließen wollen, hätte er zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung auch den Krg-Anspruch für Nichtfamilienversicherte ausschließen müssen, zB durch eine Neufassung des § 44 Abs 2 SGB V. Dies sei aber nicht geschehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Gesetzgeber habe entgegen den Erwägungen des BSG in seiner Entscheidung vom 07.05.2002 § 19 Abs 2 SGB V geändert und Satz 2 angefügt, um darin der Familienversicherung einen Vorrang vor den Leistungsansprüchen nach Abs 2 Satz 1 einzuräumen.
Hiergegen hat die Klägerin am 06.10.2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und im Wesentlichen ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass die Verweigerung des Krg-Anspruchs eine besondere Härte für sie darstelle, da sie im streitigen Zeitraum auch kein Arbeitslosengeld erhalten habe.
Mit Urteil vom 22.07.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Mitgliedschaft der Klägerin aufgrund ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung habe am 31.12.2009 geendet. Zwar schaffe § 19 Abs 2 Satz 2 SGG V insoweit einen Verlängeru...