Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Antragstellung. Versäumung der Ausschlussfrist. keine Zulassung des verspäteten Antrags wegen unbilliger Härte

 

Leitsatz (amtlich)

Die Härtefallregelung des § 324 Abs 1 S 2 SGB 3 bezieht sich nur auf die vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses zu beantragenden Leistungen der Arbeitsförderung nach § 324 Abs 1 S 1 SGB 3und ist daher auf das nachträglich zu beantragende Insolvenzgeld nicht anwendbar.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung von Insolvenzgeld (InsG) wegen Versäumung der Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Der 1969 geborene Kläger war ab 1. Februar 2010 bei der Firma P. Zeitarbeit GmbH als Maler und Lackierer versicherungspflichtig beschäftigt. Zum 24. März 2010 kündigte er das Arbeitsverhältnis wegen ausstehenden Lohnes und klagte beim Arbeitsgericht Stuttgart (ArbG) für den Zeitraum 1. bis 24. März 2010 ausstehenden Lohn in Höhe von insgesamt 2.050,03 € brutto ein am 9. Juli 2010. Über das Vermögen der Firma P. Zeitarbeit GmbH wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart (AG) vom 28. Juli 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet (8 IN 395/10). Der Insolvenzverwalter teilte dem Kläger mit Schreiben vom 9. August 2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit und wies insbesondere auf die im Eröffnungsbeschluss vom Gericht bestimmten Termine und Fristen hin, zu weiteren Informationen verwies er auf ein “Merkblatt für die Insolvenzgläubiger„. Der Kläger meldete daraufhin die ihm zustehenden Vergütungsansprüche zur Insolvenztabelle an. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2010 teilte die vom Insolvenzverwalter mit der Abwicklung der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Vorgänge beauftragte Steuerberatungsgesellschaft A. dem Kläger mit, dass er aufgrund der nicht ausgezahlten Löhne Anspruch auf InsG habe. Zwar sei die Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits verstrichen, es gebe jedoch die Möglichkeit einer Nachfrist, sofern die Ausschlussfrist aus nicht zu vertretenden Gründen versäumt worden sei.

Am 8. November 2010 beantragte der Kläger die Gewährung von InsG bei der Beklagten. Diese lehnte mit Bescheid vom 9. November 2010 die Gewährung von InsG ab wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Der Antrag hätte bis 28. September 2010 gestellt werden müssen, Gründe für die Gewährung einer Nachfrist seien nicht erkennbar. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2011 zurück. Die Ausschlussfrist habe der Kläger versäumt und eine Nachfrist könne nicht gewährt werden, da er die Versäumung der zweimonatigen Ausschlussfrist zu vertreten habe, weil er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Zu den Sorgfaltspflichten gehöre es für einen rechtsunkundigen Arbeitnehmer, sich rechtzeitig sachkundigen Rechtsrat zu verschaffen. Habe der Arbeitnehmer zwar vom Insolvenzereignis Kenntnis erhalten, einen InsG-Antrag aber deshalb nicht gestellt, weil er zunächst von der gesetzlichen Regelung bzw. der Ausschlussfrist nichts gewusst habe, könne eine Nachfrist nicht eingeräumt werden.

Hiergegen richtet sich die am 18. Februar 2011 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Zur Begründung der Klage wird vorgetragen, dass der Kläger zwar durch das Schreiben des Insolvenzverwalters Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten habe, jedoch über weitere relevante Fristen durch dieses Schreiben nicht informiert worden sei. Insbesondere habe das Merkblatt für Insolvenzgläubiger, anders als angegeben, dem Schreiben nicht beigelegen. Der Kläger habe sich darauf verlassen, dass die Unterrichtung durch den Insolvenzverwalter abschließend und vollständig gewesen sei. Nachdem dem Schreiben nur das Formular zur Forderungsanmeldung beigefügt gewesen sei, habe der Kläger davon ausgehen können, dass er weiter nichts veranlassen müsse. Er sei auch nicht gehalten gewesen, weitergehende Auskünfte über sachkundige Stellen einzuholen. Der Hinweis auf die Gewährung von InsG sei erst durch das Schreiben der Firma A. vom 21. Oktober 2010 erfolgt. Der Kläger habe die Versäumung der Ausschlussfrist daher nicht zu vertreten.

Mit Urteil vom 6. Oktober 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von InsG gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfüllt seien, der Kläger jedoch den entsprechenden Leistungsantrag zu spät gestellt habe. Nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III sei InsG innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Maßgebendes Insolvenzereignis sei vorliegend die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers durch Besc...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge