Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 34 Abs 4 SGB 6 und § 236b SGB 6. Beratungspflicht der Sozialversicherungsträger hinsichtlich künftiger Rechtsänderungen
Orientierungssatz
1. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 34 Abs 4 SGB 6 (vgl LSG Stuttgart vom 21.5.2015 - L 7 R 5354/14 = juris RdNr 22 und vom 7.7.2016 - L 7 R 273/15 = juris RdNr 33 sowie BSG vom 26.7.2007 - B 13 R 44/06 R = SozR 4-2600 § 236a Nr 1 und LSG München vom 24.5.2017 - L 1 R 429/15 = juris RdNr 34).
2. Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber die zum 1.7.2014 durch § 236b SGB 6 gewährte Vergünstigung nicht auf Bestandsrentner ausgedehnt und keine Ausnahme von der für alle Altersrentner geltenden Regelung des § 34 Abs 4 SGB 6 vorgenommen hat (vgl LSG Stuttgart vom 21.5.2015 - L 7 R 5354/14 = juris RdNr 25). Insbesondere liegt keine nach Art 3 Abs 1 GG unzulässige Ungleichbehandlung vor.
3. Vor Vorlage eines Gesetzentwurfes kann eine Beratungspflicht der Sozialversicherungsträger zu möglichen Gesetzesänderungen denknotwendigerweise nicht bestehen. Selbst wenn es vor Einbringung eines Gesetzentwurfes bereits politische Überlegungen und Diskussionen gibt, sind diese angesichts ihrer Vagheit und Unverbindlichkeit nicht geeignet, eine Beratungspflicht auszulösen. Anderenfalls wären die Sozialversicherungsträger verpflichtet, ihre Versicherten stets über den aktuellen Stand der politischen Diskussion zu informieren.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte (sog. “Rente mit 63„) anstatt der ihm bereits gewährten Altersrente für langjährige Versicherte.
Der Kläger 1951 geboren. Er schloss am 20. November 2006 mit seinem damaligen Arbeitgeber, der D. AG, einen Altersteilzeitvertrag. Danach wurde das damals bestehende Vollzeitarbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2008 als Teilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt und endete spätestens am 30. November 2013. Die Arbeitsleistung erfolgte dabei in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2011 (Arbeitsphase). Im Anschluss daran wurde der Kläger freigestellt (Freistellungsphase).
Der Kläger beantragte am 30. Juli 2013 bei der Beklagten Altersrente nach Altersteilzeitarbeit ab dem 1. Dezember 2013. Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 4. September 2013 darauf hin, dass die beantragte Altersrente nach Altersteilzeit frühestens am 1. Dezember 2014 beginnen würde. Sie bat um Bestätigung, dass er ab dem 1. Dezember 2013 Altersrente für langjährig Versicherte mit einem Abschlag von 10,8 Prozent in Anspruch nehmen wolle. Am 8. Oktober 2013 (Schreiben vom 7. Oktober 2013) bestätigte der Kläger der Beklagten, dass er ab dem 1. Dezember 2013 Altersrente für langjährig Versicherte mit einem Abschlag von 10,8 Prozent in Anspruch nehmen wolle. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 4. November 2013 Altersrente für langjährig Versicherte nach § 36 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab dem 1. Dezember 2013 in Höhe von monatlich 1.586,20 €. Hiergegen legte der Kläger einen Rechtsbehelf nicht ein.
Am 13. November 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährige Versicherte ab dem 1. Dezember 2014.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 20. November 2014 ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährige Versicherte lägen nicht vor, da der Kläger bereits eine Altersrente beziehe. Es sei nicht zulässig, von einer bindend bewilligten oder bezogenen Altersrente in eine andere Altersrente zu wechseln.
Hiergegen erhob der Kläger am 22. Dezember 2014 Widerspruch. Da bei ihm 45 Beitragsjahre vorlägen und er das 63. Lebensjahr vollendet habe, wolle er eine Angleichung bzw. einen Nachtrag auf eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
Die Widerspruchsstelle der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2015 zurück. § 34 Abs. 4 SGB VI regele, dass Versicherte, die sich bereits für eine Altersrente entschieden hätten, nicht mehr in eine andere Rente wechseln könnten. Ein “Wechsel„ im Sinne des § 34 Abs. 4 SGB VI liege vor, wenn nach einer Altersrente nahtlos eine andere Rente bezogen werden solle. Die Ausschlussregelung komme daher nur dann zur Anwendung, wenn sich für die weitere Rente ein späterer Rentenbeginn ergeben würde als für die zuerst bewilligte Altersrente. Bei zeitgleichem oder früherem Beginn der Bewilligung der weiteren Altersrente liege kein Wechsel vor. Der Kläger beziehe bereits ab dem 1. Dezember 2013 auf Grund eines bindenden Rentenbescheides eine Altersrente. Ein Wec...