Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. schriftlicher Vergleich. schriftliche Annahme eines vom Gericht unterbreiteten Vergleichsangebots
Leitsatz (amtlich)
Nehmen die Beteiligten ein in Form eines Beschlusses nach § 101 Abs 1 S 2 SGG unterbreitetes Vergleichsangebot schriftlich gegenüber dem Gericht an, liegt ein schriftlicher Vergleich vor, der eine (fiktive) Terminsgebühr entstehen lässt. Dass die Initiative für den Abschluss des Vergleichs vom Gericht ausgeht oder dieser inhaltlich zumindest teilweise auf einem Vorschlag des Gerichts beruht, ist nicht erforderlich.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz: Entgegen LSG München vom 22.5.2015 - L 15 SF 115/14 E = JurBüro 2015, 467 und vom 29.11.2016 - L 15 SF 97/16 E = DAR 2017, 117.
Tenor
Die Beschwerde des Erinnerungsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 29.12.2017 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Erinnerungsgegner gegen die Gewährung einer sog. fiktiven Terminsgebühr im Rahmen der Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) für die Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe.
In dem zu Grunde liegenden Klageverfahren S 2 SB 2751/14 war streitig, ob der Grad der Behinderung (GdB) beim Kläger statt mit 40 mit 60 festzustellen war. Mit Beschluss vom 03.03.2015 bewilligte das Sozialgericht dem Kläger unter Beiordnung des Erinnerungsführers Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung.
Nach Durchführung medizinischer Ermittlungen unterbreitete der Beklagte ein Vergleichsangebot, wonach der GdB 50 ab 15.06.2016 betrage, außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden und die Beteiligten den Rechtstreit für erledigt erklären. Auf die Anfrage des Sozialgerichts, ob das Vergleichsangebot angenommen werde, teilte der Erinnerungsführer mit, er benötige ein Vergleichsangebot in der Form des § 101 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Mit Beschluss vom 01.03.2017 schlug das Sozialgericht den Beteiligten zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits unter Hinweis darauf, dass der Vergleichsvorschlag nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG als gerichtlicher Vergleich wirksam werde, wenn ihn die Beteiligten gegenüber dem Gericht schriftlich annehmen, folgenden Vergleich vor:
1. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 50 (i.W. fünfzig) ab 15.06.2016.
2. Die außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit für erledigt.
Mit Schriftsätzen vom 07.03.2017 und 08.03.2017 nahmen der Erinnerungsführer und der Beklagte den Vergleich an.
Der Erinnerungsführer beantragte die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung wie folgt:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV |
300,00 € |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV |
280,00 € |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV |
300,00 € |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV |
20,00 € |
Dokumentationspauschale Nr. 7000 (81 Seiten) |
29,65 € |
19,00 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV |
176,63 € |
Summe |
1.106,28 € |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle teilte dem Erinnerungsführer mit Schreiben vom 22.03.2017 mit, dass eine fiktive Terminsgebühr nicht entstanden sei, da das Verfahren durch außergerichtlichen Vergleich erledigt worden sei. Entsprechend betrage die der Landeskasse zu zahlende Vergütung lediglich 773,08 €. Im Hinblick auf die erfolgte Absetzung der Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG führte sie unter Bezugnahme auf Entscheidungen von Landessozialgerichten (u.a. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.05.2015, L 15 SF 115/14 E) aus, unter einem “schriftlichen Vergleich„ im Sinne der Anmerkung S. 1 Nr. 1 2. Alt. zu VV 3106 RVG sei nur ein unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO und ab 25.10.2013 nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG zu verstehen.
Mit seiner Erinnerung machte der Erinnerungsführer geltend, die fiktive Terminsgebühr sei angefallen, da das Verfahren durch die Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlags vom 01.03.2017 beendet worden sei.
Mit Beschluss vom 29.12.2017 hat das Sozialgericht die Entscheidung der Urkundsbeamtin unter Zurückweisung der Erinnerung im Übrigen abgeändert und dem Erinnerungsführer eine Vergütung in Höhe von 1.094,38 € gewährt. Die fiktive Terminsgebühr sei angefallen, da das Verfahren eindeutig durch gerichtlichen Vergleich gemäß § 101 SGG geendet habe. Die Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts in dem erwähnten Beschluss vom 22.05.2015 (a.a.O) sowie im Beschluss vom 29.11.2016, L 15 SF 97/16 E, wonach die Initiative des Vergleichsvorschlags und auch der formulierte Inhalt originär vom Gericht ausgehen müsse, damit eine fiktive Terminsgebühr entstehe, werde nicht geteilt. Das Gesetz kenne eine solche Einschränkung nicht. Vom Erinnerungsführer sei die Gebühr allerdings überhöht angesetzt worden, da sie 90 % der Verfahrensgebühr von 300,00 € betrage, mithin nicht 280,00 €, sondern lediglich 270,00 €.
Gegen den am 22.01....