Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Verfassungsmäßigkeit der Regelleistungen und der Einkommensberücksichtigung

 

Orientierungssatz

1. Die Regelungen des § 20 Abs 2 und 3 SGB 2 zur Höhe der Regelleistungen und des § 11 SGB 2 zur Berücksichtigung von Einkommen verletzen weder das Sozialstaatsprinzip nach Art 20 Abs 1 GG noch die in Art 1 Abs 1 GG garantierte Menschenwürde (vgl LSG Stuttgart vom 16.12.2005 - L 8 AS 2764/05 und nachgehend BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 3).

2. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick darauf, dass der Verordnungsgeber nicht für jeden einzelnen Leistungsempfänger nach SGB 2 eine Pauschale nach § 3 Nr 1 AlgIIV aF bzw § 3 Abs 1 Nr 1 AlgIIV nF vorgesehen hat. Es bestehen hinreichende Gründe, minderjährige Kinder in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern von dem Abzug der Pauschale auszuschließen. Dies gilt auch dann, wenn nur die minderjährigen Kinder in der Bedarfsgemeinschaft über Einkommen verfügen und die Pauschale insofern überhaupt nicht berücksichtigt wird (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 18.02.2010; Aktenzeichen 1 BvR 1523/08)

BSG (Beschluss vom 15.04.2008; Aktenzeichen B 14/11b AS 41/07 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im vorliegenden Rechtsstreit höhere Regelleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).

Die am ... 1958 geborene ledige Klägerin ist allein stehend. Sie bewohnt eine 1980 bezugsfertig gewordene Wohnung mit einem Wohnflächenanteil von 70 m² (3 Räume, 1 Küche, 1 Bad). Die Miete beläuft sich einschließlich Nebenkosten auf monatlich 423,81 € (Warmmiete). In den streitigen Bewilligungszeiträumen vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 und 01.05.2005 bis 31.10.2005 ging die Klägerin einer geringfügigen Beschäftigung mit einem Nettoverdienst von monatlich 400 € nach. Die Klägerin bezog im Jahr 2004 keine Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Am 22.12.2004 beantragte sie bei der Agentur für Arbeit W - Alg II - W (R-Kreis) - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie machte im Antrag neben den Wohnungskosten monatliche Kosten für Krankenversicherung 115,93 €, Pflegeversicherung 13,69 €, Unfallversicherung 10,79 €, für Mieterverein und mit Rechtsschutz (77 € jährlich), für Rentenversicherung 110,39 €, Unfallversicherung 10,39 €, insgesamt monatlich 140,41 €, sowie weitere Nebenkosten (GEZ 48,45 € vierteljährlich, Telefon und Internet ca. 45 € monatlich, Fachzeitschrift 6 € monatlich) geltend und erklärte, über zu berücksichtigendes Vermögen nicht zu verfügen. Sie legte hierzu Belege und außerdem Fahrbelege im Gesamtbetrag von monatlich 72 € vor.

Mit Bescheid vom 23.12.2004 bewilligte die "Alg II - W (R-Kreis)" der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.04.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 516,51 € (Regelsatz 345 € abzüglich Erwerbseinkommen 240,27 € zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung 411,78 €). In diesem Bescheid wurde die Klägerin unter anderem darauf hingewiesen, dass Erstbescheide für Anträge, die vor dem 01.01.2005 gestellt worden seien, hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in gesetzlichen Auftrag für den kommunalen Träger (§ 65a SGB II) ergingen. In der Rechtsmittelbelehrung wurde ausgeführt, dass Widerspruch bei dem verpflichteten Träger einzulegen sei; dies sei (u.a.) für die Kosten der Unterkunft und Heizung der kommunale Träger, in den übrigen Fällen die Agentur für Arbeit M.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 27.01.2005 bei der Agentur für Arbeit M Widerspruch den sie damit begründete, dass für ihre Wohnungskosten ein Betrag von monatlich 423,81 € zu bewilligen sei. Außerdem führte sie eingehend aus, dass der Regelsatz unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Bedürfnisse nicht den tatsächlichen Entwicklungen der Lebenshaltungskosten entspräche und das geforderte Existenzminimum unter Verstoß gegen das im Grundgesetz manifestierte Sozialstaatsgebot, das Rechtsstaatsgebot und Art. 1 Absatz 1 Grundgesetz nicht gewährleistet sei. Weiter fehle dem Bescheid die Transparenz und könne nicht nachvollzogen werden. Sie legte hierzu Unterlagen (Kommentierungen, Stellungnahmen, Zeitungsberichte und statistische Auswertungen) vor.

Am 23.03.2005 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung von Leistungen nach dem SGB II. Sie machte (im Wesentlichen) dieselben Angaben wie im Antrag vom 22.12.2004 und legte Belege vor.

Mit Bescheid vom 02.05.2005 bewilligte die "Alg II - W (R-Kreis)" der Klägerin für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II (ohne Kosten der Unterkunft) in Höhe von 104,73 € (Regelleistung 345 € abzüglich Erwerbseinkommen 240,27 €). Hiergegen erhob d...

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