Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines Beteiligten für Verdienstausfall. kein Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber Arbeitgeber wegen des Bestehens eines Ersatzanspruchs bei Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten. tatsächliche Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Abführungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall besteht auch dann, wenn Arbeitnehmer vertraglich keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Lohnfortzahlung haben, soweit sie bei Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten Anspruch auf Ersatz des Entgelts geltend machen können. Dem steht die tatsächliche Fortzahlung des Arbeitsentgelts als Vorschuss auf die Entschädigung nicht entgegen, wenn der Beschäftigte im Nachgang zur Abführung der Entschädigung an den Arbeitgeber verpflichtet ist.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für die Kosten, die ihm anlässlich der Terminswahrnehmung am 28. Juli 2009 entstanden sind, wird unter Abänderung der Festsetzung durch die Kostenbeamtin vom 11. August 2009 auf 195,10 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist in seinem Rechtsstreit gegen die B. Ersatzkasse zum Erörterungstermin am 28. Juli 2009 geladen worden; sein persönliches Erscheinen war angeordnet.
Er ist zum Erörterungstermin am 28. Juli 2009 erschienen und hat mit Entschädigungsantrag vom 7. August 2009 Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 57,50 € für die Benutzung von Pkw, Bahn und Straßenbahn sowie Verdienstausfall geltend gemacht, wobei er insgesamt von 6:30 Uhr bis 17:15 Uhr unterwegs war. In der Bescheinigung des Arbeitgebers (E. O. F.) war hierzu angegeben, dass bei regulärer Arbeitszeit von 7,7 Stunden und einem Stundenlohn von 20,63 € der Verdienstausfall 158,85 € betrage. Gleichzeitig war angekreuzt, dass der Antragsteller bezahlten Urlaub gehabt habe.
Die Kostenbeamtin des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) hat die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme am Termin vom 28. Juli 2009 auf 87,30 € festgesetzt (57,50 € Fahrtkosten und 30 € Freizeitausgleich für zehn Stunden).
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf richterliche Kostenfestsetzung vom 27. Oktober 2009. Wie ihm telefonisch mitgeteilt worden sei, beruhe die Zahlung von 30 € darauf, dass der Dienstgeber bezahlten Urlaub angekreuzt habe. Er habe indes keinen bezahlten Urlaub gehabt, sondern sei vom Dienst freigestellt worden. Es solle daher der Verdienstausfall gezahlt werden.
Auf Nachfrage hat der Arbeitgeber mit Schreiben vom 8. Februar 2010 mitgeteilt, gemäß § 34 Abs. 3 der Arbeitsvertragsordnung für den kirchlichen Dienst in der E. F. (AVO) bestehe bei Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten nach deutschem Recht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, soweit die Beschäftigten Anspruch auf Ersatz des Entgelts geltend machen könnten. Das fortgezahlte Entgelt gelte in Höhe des Ersatzanspruches als Vorschuss auf die Leistungen der Kostenträger, die Beschäftigten hätten den Ersatzanspruch geltend zu machen und die erhaltenen Beträge an den Dienstgeber abzuführen.
Der Antragsgegner hat gegen eine Entschädigung des Verdienstausfalls Bedenken geäußert und einen Hinweis der Bezirksrevisorin vom 14. April 2008 an die Verwaltungsleiter der Sozialgerichte des Landes vorgelegt. Dieser bezieht sich auf die Entschädigung von Behördenmitarbeitern, die vor Gericht als Zeugen vernommen werden. Danach soll Verdienstausfall nur gewährt werden, wenn ein solcher bescheinigt ist und der Nachweis geführt wird, dass der Verdienstausfall bei der nächsten Gehaltsabrechnung verrechnet wird.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte und die Verfahrensakte L 4 KR 783/07 Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Antragstellers auf richterliche Kostenfestsetzung nach § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) ist zulässig und in der Sache auch teilweise begründet. Der Antragsteller hat Anspruch auf Entschädigung seines Verdienstausfalls, wenn auch nicht in Höhe des tatsächlichen Stundenlohns von 20,63 €, sondern des gesetzlich vorgesehenen Maximalbetrags von 17 € pro Stunde.
Nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG entscheidet der gesamte Senat, da die Berichterstatterin ihm das Verfahren übertragen hat.
Dem Antragsteller werden nach § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen der Anordnung seines persönlichen Erscheinens auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 3, 19 Abs. 1 JVEG erhalten Zeugen als Entschädigung u.a. Fahrtkostenersatz, Ersatz für Zeitversäumnis und Entschädigung für Verdienstausfall. Soweit die Entschädigung nach Stunden bemessen ist, wird sie für die gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch für nicht mehr als zehn Stunden je Tag, gewährt (§ 19 Abs. 2 JVEG). Nach § 22 JVEG erhalten Zeugen, denen ein Verdienstausfall entsteht, eine Entschädigung, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst einschli...