Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe für Deutsche im Ausland. unabweisbare außergewöhnliche Notlage

 

Orientierungssatz

1. Eine außergewöhnliche Notlage iS des § 24 Abs 1 S 2 SGB 12 ist gegeben, wenn ohne die Hilfeleistung an den im Ausland lebenden Deutschen eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existenzieller Rechtsgüter droht, mithin Leben, Gesundheit oder sonstige elementare Grundvoraussetzungen der menschlichen Existenz (vgl Art 1 Abs 1, Art 2 Abs 1 und 2 GG) unmittelbar gefährdet sind.

2. Sozialhilfe an Deutsche im Ausland wird jedoch nur geleistet, wenn die außergewöhnliche Notlage zudem unabweisbar ist, also nicht anders als durch die Hilfeleistung im Ausland behoben werden kann.

 

Gründe

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht Stuttgart (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, da es ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung), wobei die diesbezüglichen Anforderungen jedoch umso niedriger sind, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O., Rdnrn. 12, 95, 99 ff.; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 15 f., 24 ff.).

Die Voraussetzungen für die vom Antragsteller erstrebte einstweilige Anordnung sind bei der vorliegend gebotenen Prüfung nicht gegeben. Bereits der Anordnungsanspruch ist - wie das SG im Ergebnis zutreffend erkannt hat - nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Nach der Bestimmung des § 24 Abs. 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt - wie hier der Antragsteller - im Ausland haben, keine Leistungen. Hiervon kann gemäß Satz 2 a.a.O. im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist: (1.) Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss, (2.) längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit oder (3.) hoheitliche Gewalt. Für die Leistungen zuständig ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe, in dessen Bezirk die antragstellende Person geboren ist (§ 24 Abs. 3 Satz 2 SGB XII). Aus dem Zusammenspiel der Regelungen des § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB XII - in Kraft seit 1. Januar 2004 (vgl. Art. 70 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 - (BGBl. I S. 3022)) - ergibt sich, dass von einem Hilfesuchenden regelmäßig die Rückkehr nach Deutschland abverlangt wird; Ausnahmen hiervon sind nur zugelassen, soweit eine außergewöhnliche Notlage unabweisbar ist und darüber hinaus aus bestimmten, im Gesetz abschließend aufgezählten Gründen eine Rückkehr in das Bundesgebiet nicht möglich ist (vgl. Verwaltungsgericht (VG) Hamburg, Beschluss vom 25. August 2004 - 13 E 4047/04 - (juris); Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 24 Rdnr. 19; Belit in LPK-SGB XII, 7. Auflage, § 24 Rdnr. 8), denn Sozialhilfe soll grundsätzlich nur im Inland, nicht aber im Ausland gezahlt werden. Die Auslandssozialhilfe kommt mithin nicht schon bei einer nur allgemeinen sozialhilferechtlichen Notlage in Betracht; vielmehr bedarf es ei...

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