Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. zweistufige Kausalitätsprüfung. naturwissenschaftliche Kausalität. Wertung. Anlageleiden. Nachweis. Wahrscheinlichkeit. traumatischer Bandscheibenvorfall an der HWS. Begleitverletzung. keine Heranziehung des unfallmedizinischen Standardwerkes in der Kausalitätsprüfung. Testfahrer. Erprobungsfahrt. Autounfall
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bejahung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einem Autounfall und einem Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule setzt keine knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen an dem entsprechenden Segment der Wirbelsäule voraus. Die gegenteiligen Ausführungen von Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 434 und 436 - selbst wenn sie den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergeben würden - können der Kausalitätsprüfung aus Rechtsgründen nicht zu Grunde gelegt werden, weil dort nicht zwischen den nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu trennenden zwei Stufen der Kausalitätsprüfung unterschieden wird und die der - ohnehin dem juristischen Betrachter vorbehaltene - wertenden Entscheidung zu Grunde liegenden Kriterien, ob das Unfallereignis wesentlich war, nicht erkennbar sind.
2. Zur (hier verneinten) Zulässigkeit eines Vergleiches der Wirbelsäule mit Obst (hier: Apfel).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.07.2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung von Unfallfolgen streitig.
Der am 1951 geborene Kläger ist bei der Firma Dr. Ing. h.c. F. P. AG im Bereich Forschung und Entwicklung beschäftigt. Am 03.07.2005 erlitt er als Testfahrer bei einer Erprobungsfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in I. einen Arbeitsunfall, als bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs platzte, das Fahrzeug von der Fahrbahn abkam, die Leitplanke durchbrach und in einem Wäldchen zum Stehen kann.
Nach notfallmedizinischer Versorgung durch die örtliche Notfallambulanz der J.-Unfall-Hilfe e.V. und Erstuntersuchung im örtlichen Krankenhaus, in dem Röntgenaufnahmen von Halswirbelsäule (HWS), Brustkorb und Hüfte gefertigt wurden, die keinen Anhalt für Frakturen erbrachten, stellte sich der Kläger am 06.07.2005 bei dem Facharzt für Chirurgie Dr. St. in Pforzheim vor, der ausweislich seines Durchgangsarzt- bzw. Nachschauberichts eine HWS-Distorsion, eine Hüftprellung, eine Thoraxprellung rechts, ein stumpfes Bauchtrauma sowie eine Sprunggelenksdistorsion links diagnostizierte. Bei seinen Wiedervorstellungen am 22.07.2005 klagte der Kläger u.a. über eine zunehmende Einschränkung der Beweglichkeit des linken Armes und am 01.08.2005 über ein wiederkehrendes Taubheitsgefühl im Bereich der linken Hand sowie eine Verschlechterung der Bewegungsfähigkeit der HWS, worauf Dr. St. eine Kernspintomographie der HWS veranlasste, die am 04.08.2005 durchgeführt wurde. Die Radiologen Dr. L. u.a. beschrieben im Befundbericht an der HWS erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie eine ventrale Höhenminderung des zweiten Brustwirbelkörpers mit Deckplatteneinbruch, für den Bereich von C6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal weiten Neuroforamina. Im Hinblick auf die weitere Therapieplanung veranlasste Dr. St. eine Vorstellung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., die am 26.08.2005 erfolgte. Dabei berichtete er von ziehenden Dauerschmerzen im Bereich des Nackens links und von seit drei Wochen vermehrten Kribbelparästhesien vor allem im Bereich des dritten und vierten Fingers, jedoch auch im Bereich des zweiten und fünften Strahls der linken Hand. Eine deshalb veranlasste erneute kernspintomographische Untersuchung der HWS am 30.08.2005 ergab (Befundbericht des Dr. W. ) zwischen den Halswirbelkörpern C6/7 einen links gelegenen Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente, der die Nervenwurzelreizung C7 links und damit die Beschwerdesymptomatik im Bereich der linken Hand erklären könne. Der Kläger wurde daraufhin vom 15.09. bis 06.10.2005 stationär intensiv physio- und ergotherapeutisch behandelt. Nach einer am 07.11.2005 begonnenen Belastungserprobung arbeitete der Kläger zunächst ab 05.12.2005 wieder vollschichtig bevor am 09.12.2005 erneut Arbeitsunfähigkeit eintrat. An diesem Tag stellte er sich wegen zunehmender Beschwerden von Seiten der HWS mit Ausstrahlung in den linken Arm bei dem H-Arzt Dr. B. vor, der den Kläger in das Klinikum K.-L.. überwies, wo der Kläger am 03.01.2006 stationär aufgenommen wurde. Im Hinblick auf den Bandscheibenvorfall C6/7 links mit Wurzelkompression wurde am 12.01.2006 eine Bandscheibenprothese implantiert. Die Anschlussheilbehandlung erfolgte vom 26.04. bis...