Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Anforderungen an den Inhalt und Umfang einer Rechtsmittelbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu der Frage, ob die Belehrung eines Sozialgerichts über das Rechtsmittel gem § 66 Abs 1 SGG richtig ist, wenn entsprechend der ausreichenden Beschwer nur ein Hinweis auf die mögliche zulassungsfreie Berufung erfolgt, ohne eine Belehrung darüber, wann diese auch statthaft ist und ohne Belehrung darüber, dass alternativ eine Nichtzulassungsbeschwerde statthaft ist (vgl hierzu auch LSG Chemnitz vom 3.3.2008 - L 3 AL 140/06 NZB).

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers, gerichtet auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 8. März 2010, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (Bundesgesetzblatt I 2008, S. 417, 444 ff.) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt. Dies gilt gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Gem. § 145 Abs. 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist gem. § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung der vollständigen Entscheidung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 750,00 € wird vorliegend nicht erreicht; auch sind keine laufenden Leistungen von mehr als einem Jahr betroffen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird in zwei Schritten ermittelt: Zunächst ist der Wert des Gegenstandes zu ermitteln, den das SG versagt hat (sogenannte Beschwer), dann ist innerhalb dieses Gegenstandes der Wert dessen zu ermitteln, was der Rechtsmittelführer mit seinen Rechtsmittelanträgen weiter verfolgt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 144 SGG Rdnr. 14 mit weiteren Nachweisen). Der Wert des Beschwerdegegenstandes kann also niedriger sein als die Beschwer, wenn der Rechtsmittelführer sein Begehren in der zweiten Instanz nicht in vollem Umfang weiter verfolgt.

Mit der Beschwerde geltend gemacht werden lediglich die mit Gerichtsbescheid des SG abgewiesenen weiteren Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 28. Februar 2007 in Höhe der Kosten eines angeblich angemieteten PKW-Stellplatzes (20,45 € monatlich) sowie ein Begehren auf Feststellung einer angemessenen Kaltmiete. Da das SG über den Feststellungsantrag keine Entscheidung getroffen hat, ist dieser für die Frage der Berufungszulassung nicht heran zu ziehen; lediglich das, was das SG versagt hat, kann Wert des Beschwerdegegenstandes sein (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 144 SGG Rdnr. 14 m.w.N.). Die geltend gemachten Kosten der Unterkunft sind auf sechs Monate zu begrenzen, da die angefochtenen Bescheide nur sechs Monate betreffen und das Begehren für die Frage, ob die Berufung der Zulassung bedarf, auf das materiell Mögliche zu begrenzen ist (BSG, Beschluss vom 3. Juni 2004, B 11 AL 75/03 R, veröffentlicht in Juris); die Kosten der Unterkunft erreichen den Beschwerdewert damit nicht. Da das SG über die Zulassung nicht entschieden hat, hat es sie damit verweigert, weshalb die Beschwerde statthaft ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 145 SGG Rdnr. 2a).

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht innerhalb der Monatsfrist des § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid des SG vom 8. März 2010 ist dem Kläger am 17. März 2010 zugestellt worden. Die Beschwerdefrist beginnt am Tag nach der Zustellung, d.h. am 18. März 2010, zu laufen (§ 64 Abs. 1 SGG) und endet gem. § 64 Abs. 2 , 3 SGG mit Ablauf des Montag, 19. April 2010. Die Beschwerde ist jedoch erst am 17. Januar 2011 erhoben worden; damit ist die einmonatige Beschwerdefrist nicht eingehalten.

Die am 8. April 2010 erhobene Berufung (L 2 AS 1762/10) kann auch nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt bzw. umgedeutet werden. Denn ein Beteiligter will grundsätzlich das bezeichnete Rechtsmittel einlegen, besonders wenn es sich aus der Rechtsmittelbelehrung ergibt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 143 SGG Rdnr. 15b, § 144 SGG Rdnr. 45; BSG SozR 4- 1500 § 158 Nr.1); dies gilt auch bei einem nicht rechtskundig Vertretenen (BSG a.a.O.). Hier hat der Kläger entsprechend der vom SG er...

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