Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Diabetes mellitus Typ IIb. Adipositas. Hyperlipidämie. Hyperurikämie. kein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge als antizipiertes Sachverständigengutachten. Medikamentenkosten als Bestandteil Regelbedarf. Einkommensberücksichtigung. Überstundenvergütung als laufende Einnahme
Orientierungssatz
1. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gem § 21 Abs 5 SGB 2 steht bei Gesundheitsstörungen aufgrund Diabetes mellitus Typ IIb, Hyperlipidämie, Hyperurikämie und Adipositas nicht zu.
2. Der Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB 2 betrifft nur ernährungsbedingte Mehraufwendungen, nicht jedoch Aufwendungen für Medikamente; diese Kosten sind als Teil des Regelbedarfs (Anteil für Zuzahlung für Medikamente oder nicht verschreibungspflichtige Medikamente) in der Regelleistung gem § 20 Abs 1 S 1 SGB 2 enthalten. Im Einzelfall kann bei unabweisbarem Bedarf ein Darlehen gem § 23 Abs 1 SGB 2 gewährt werden.
3. Aufgrund der Bezugnahme des Gesetzgebers in den Gesetzesmaterialien auf die entsprechenden Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu den Erkrankungsarten und der Höhe der Krankenkostzulage sind diese als eine Art antizipiertes Sachverständigengutachten zu behandeln.
4. Zur Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens gem § 11 Abs 1 und 2 SGB 2 iVm § 30 SGB 2.
5. Überstundenvergütungen gehören zu den laufenden Einnahmen und sind damit als Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 anzurechnen (vgl VGH Kassel vom 27.7.2004 - 10 UE 2988/02 = FEVS 56, 42). Insbesondere gibt es weder eine Grundlage noch eine Rechtfertigung dafür, ein fiktives Einkommen aufgrund einer vertraglich vereinbarten Teilzeitbeschäftigung zugrunde zu legen, wenn tatsächlich in Höherem Umfang gearbeitet wird bzw Überstunden abgegolten werden.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der 1946 geborene Kläger zu 1), der mit der 1953 geborenen Klägerin zu 2) verheiratet ist, beantragte bei der Beklagten am 3. November 2004 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Im Antragsformular gab er für sich kein Einkommen, für seine Ehefrau Gehalt aufgrund einer Beschäftigung in der Seniorenresidenz Sch an. Zusätzlich legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung zur Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung vor, wonach er an Diabetes mellitus, Hyperlipidämie und Hyperurikämie leidet. Wohnkosten gab der Kläger zu 1) für die von ihm und der Klägerin zu 2) bewohnte Wohnung von 47 Quadratmetern in Höhe von 273,54 € Kaltmiete zuzüglich 98,29 € Heizkosten sowie 74,20 € Nebenkosten an.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen liege Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II nicht vor. Abzüglich der gesetzlich vorgesehenen Freibeträge sei ein Erwerbseinkommen in Höhe von 1.241,97 € zu berücksichtigen. Dem stehe ein Gesamtbedarf von 1.042,72 € gegenüber (622,00 € Regelleistung, 86,92 € Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung, Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 333,80 €). Das Einkommen übersteige damit den Bedarf.
Hiergegen wandte sich der Kläger zu 1) mit seinem Widerspruch und machte geltend, die Berechnung des durchschnittlichen Netto-Einkommens der Ehefrau sei ganz offensichtlich falsch. Diese arbeite ausschließlich in Nachtschicht und habe einen Arbeitsvertrag, wonach sie nur mit einer Arbeitsleistung von 80 % zu beschäftigen sei. Wenn in den Verdienstabrechnungen die Arbeitsleistung trotzdem mit 100 % errechnet worden sei, sei dies darauf zurückzuführen, dass auf die geleistete Arbeit auch noch die Leistungen für Sonn-, Feiertags- sowie Nachtarbeit und für Überstunden hinzugerechnet worden sei. Diese zusätzlichen Leistungen seien herauszurechnen, maßgeblich sei allein das nach dem Arbeitsvertrag erzielte Einkommen bei einer vertraglichen Arbeitsleistung von 80 %.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, wobei sie ausdrücklich darauf hinwies, nicht über die Leistungen für Unterkunft und Heizung zu entscheiden, für welche der kommunale Träger zuständig sei. Die Bedarfsgemeinschaft bestehend aus dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) habe einen Gesamtbedarf in Höhe von 955,80 € (Regelbedarf zuzüglich Kosten der Unterkunft). Bei den vom Kläger zu 1) geltend gemachten Erkrankungen werde nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge kein Mehrbedarf berücksichtigt, da diese laut ausgestellter ärztlicher Bescheinigung mit Adipositas zusammenhingen. Hier könne ein Mehrbedarf für Reduktionskost nicht gewährt werden. Auf den Gesamtbedarf sei das zu berücksichtigende Einkommen anzurechnen. Au...