Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Einlegung einer Berufung. Schriftformerfordernis. E-Mail nicht ausreichend. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Orientierungssatz
1. Die Einlegung der Berufung mittels einfacher E-Mail genügt nicht dem Schriftformerfordernis nach § 151 Abs 1 SGG (vgl BSG vom 15.11.2010 - B 8 SO 71/10 B).
2. Für das LSG Stuttgart ist die Möglichkeit einer Übermittlung elektronischer Dokumente mit elektronischer Signatur nach § 65a SGG noch nicht eröffnet.
Normenkette
SGG §§ 151, 65a Abs. 1, § 67 Abs. 1, § 2 S. 2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. September 2015 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
( I ) Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei dem im Jahr 1967 geborenen Kläger stellte das Landratsamt A. mit Bescheid vom 10.9.2013 wegen einer “Depression„ einen GdB von 30 seit dem 8.4.2013 fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.2.2014 unter Umbenennung der Funktionsbeeinträchtigung in “seelische Störung„ als unbegründet zurück.
Im Rahmen des hiergegen mit dem Begehren, einen GdB von mindestens 50 festzustellen, zum Sozialgericht Reutlingen (SG) angestrengten gerichtlichen Verfahrens hat das SG den behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Dr. B., schriftlich als sachverständigen Zeugen einvernommen und bei Prof. Dr. C., Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin und Psychotherapie, ein Sachverständigengutachten eingeholt und die Klage sodann mit Urteil vom 9.9.2015 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG, gestützt auf die gutachterliche Einschätzung von Prof. Dr. C., ausgeführt, die beim Kläger bestehenden funktionellen Einschränkungen seien mit einem GdB von 30 ausreichend bewertet. Ein GdB von 50, wie beantragt, sei nicht festzustellen.
Gegen das, seinen Bevollmächtigten am 21.9.2015 zugestellte Urteil, hat der Kläger am 29.9.2015 mittels E-Mail zum SG “Widerspruch„ eingelegt. Eine Begründung desselben folge, da er, der Kläger, sich zur Zeit in Reha befinde. Die vom SG ausgedruckte E-Mail ist am 7.10.2015 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangen. Mit Schreiben vom 10.12.2015, eingegangen am 14.12.2015, hat der Kläger sodann vorgebracht, das Gutachten von Prof. Dr. C. benachteilige ihn systematisch. Das SG hätte der Einschätzung des ihn behandelnden Dr. B. folgen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. September 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 10. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2014 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Kläger bereits unter dem 9.10.2015 darauf hingewiesen, dass die Einlegung des Rechtsmittels mittels einfacher E-Mail dem Formerfordernis des § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht genüge und der Widerspruch (richtigerweise die Berufung) vorbehaltlich des fristgerechten Eingangs einer formwirksamen Einlegung bereits unzulässig sein sollte. Per E-Mail vom 6.10.2015 hat der Kläger gegenüber dem SG mitgeteilt, er befinde sich bis Mitte November in Reha und könne, außer per E-Mail, keinen Schriftverkehr bewerkstelligen.
Mit Schreiben vom 17.12.2015 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die am 29.9.2015 eingegangene Berufung dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs. 2 SGG nicht genüge und innerhalb der bis zum 21.10.2015 reichenden Berufungsfrist eine formgerechte Berufung nicht eingereicht worden sei. Der Senat hat ferner mitgeteilt, dass der Schriftsatz vom 10.12.2015 außerhalb der Berufungsfrist eingegangen sei und den Kläger auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hingewiesen. Mit Schreiben vom 4.3.2016 hat der Senat den Beteiligten schließlich mitgeteilt, dass er erwäge, nach § 158 Satz 2 SGG über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden. Den Beteiligten ist Gelegenheit eingeräumt worden, sich hierzu bis zum 8.4.2016 zu äußern. Der Kläger, dem das Schreiben am 8.3.2016 zugestellt wurde, hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
( II ) Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg, sie ist bereits unzulässig.
Der Senat hat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach Anhörung der Beteiligten von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die unzulässige Berufung ohne mündliche Verhandlung mittels Beschluss zu verwerfen (§ 158 Satz 2 SGG). Die entscheidungserhebliche Sachlage ist nic...