Entscheidungsstichwort (Thema)
Überbrückungsgeldanspruch. Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Ausweitung der selbstständigen Nebentätigkeit
Orientierungssatz
Die die Arbeitslosigkeit beendende Ausweitung einer selbstständigen Nebentätigkeit stellt keine Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit iS von § 57 Abs 1 SGB 3 dar (entgegen LSG Mainz vom 2.3.1999 - L 7 Ar 166/98).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Überbrückungsgeld.
Die Klägerin und Herr M G sind Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, in der sie ihre Tätigkeit als Rechtsanwälte ausüben. Gegenüber dem Finanzamt Ulm gaben sie als Beginn der Tätigkeit den 13. Februar 2001 an. Die Klägerin bezog vom 1. Oktober 2001 bis 28. Februar 2002 Arbeitslosengeld, zuletzt in Höhe von EUR 181,72 wöchentlich. Zum 1. März 2002 übte die Klägerin, die auf ihren Antrag vom 16. Januar 2002 mit Wirkung zum 6. Februar 2002 gemäß § 226 Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gleichzeitig bei dem Oberlandesgericht Stuttgart als Rechtsanwältin zugelassen wurde (Bescheid der Rechtsanwaltskammer Stuttgart vom 22. Januar 2002), ihre selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwältin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 25 Stunden aus. Für die Aufnahme dieser selbstständigen Tätigkeit beantragte sie am 24. Januar 2002 Überbrückungsgeld. Sie gab ergänzend an, sie beabsichtige ihre bereits seit 1999 bestehende Nebentätigkeit, die sie bis September 2001 neben einem bestehenden Arbeitsverhältnis bei einer Universität ausgeübt habe, auszuweiten, nachdem sie keine anderweitige abhängige Beschäftigung gefunden habe. Seit 2001 sei sie zusammen mit Herrn Rechtsanwalt G als Anwältin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von maximal zehn Stunden tätig und sie seien bereits beim Finanzamt Ulm als Sozietät gemeldet.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Überbrückungsgeld ab. Laut den Antragsunterlagen über die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit nur zehn Stunden wöchentlich aus und beende durch die Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit ihre Arbeitslosigkeit nicht. Auch über sie bereits seit dem Jahr 2001 die Selbstständigkeit aus, sodass keine Existenzgründung mehr bestehe (Bescheid vom 12. März 2002). Den Widerspruch der Klägerin wies die Widerspruchsstelle zurück. Das Gesetz habe die Gewährung der Leistungen in ihr Ermessen gestellt. Die Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung seien so zu bewirtschaften, dass eine Bewilligung und Erbringung der einzelnen Leistungen im gesamten Haushalt gewährleistet sei. Die Klägerin habe die selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwältin seit Gründung der Sozietät am 13. Februar 2001 in geringfügigem Umfang ausgeübt. Das Risiko der für eine Existenzgründung typischen Anlaufphase trage die Klägerin damit nicht. Bereits im Gründungsjahr sei ein positives Ergebnis erwirtschaftet worden, das nach den steuerlichen Angaben jeweils zur Hälfte den Partnern der Sozietät zuzuordnen sei. Nach eigener Einschätzung hinsichtlich der steuerlichen Erfassung werde sich der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2002 um mehr als das Doppelte erhöhen. Die Einkünfte ab 1. März 2002 reichten nach dieser Einschätzung auch ohne Gewährung des Überbrückungsgeldes zur Sicherung des Lebensunterhalts der Klägerin aus (Widerspruchsbescheid vom 29. April 2002).
Die Klägerin hat am 30. Mai 2002 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Nachdem sich erwiesen habe, dass sie ein Beschäftigungsverhältnis bei der Universität nicht mehr werde aufnehmen können, habe sie sich Anfang 2002 entschieden, ihre bislang nebenerwerbliche selbstständige Tätigkeit auszuweiten. In Ansehung der bestehenden Unterhaltspflichten gegenüber ihren minderjährigen Kindern genügten die Einkünfte ab 1. März 2002 nicht zur Sicherung ihres Lebensunterhalts. Auch könne die Ablehnung des Überbrückungsgelds nicht auf die Erschöpfung der Haushaltsmittel gestützt werden.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Januar 2004). Das Überbrückungsgeld sei eine Ermessensleistung. Die Besonderheiten der Lebenssituation der Klägerin, insbesondere die wirtschaftliche Situation, stellten eine zulässige Ermessenserwägung dar, welche durch den Zweck des Überbrückungsgelds, den Lebensunterhalt der Klägerin und deren Kinder sicherzustellen, gerechtfertigt sei. Nach der Prognose des Steuerberaters sei die Klägerin von Beginn der Aufnahme der selbstständigen (nicht nur geringfügigen) Tätigkeit an in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder sicherzustellen.
Gegen das ihr am 6. Februar 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Februar 2004 Berufung eingelegt. Sie hat auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen und ergänzend darauf hingewiesen, ihr tatsächlich erwirtschafteter und zu versteuernder Gewinn aus ih...