Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zwischenentscheidung. einstweiliger Rechtsschutz. Klageerhebung beim SG gegen eine Entscheidung der Vergabekammer bzgl Rechtsstreitigkeit gem § 69 SGB 5. zu erwartende Neuregelung. GKV-OrgWG. vergaberechtliche Auswahlentscheidung. Rabattvertrag. zuständige Vergabekammer. Nachprüfungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den (hier verneinten) Voraussetzungen einer Zwischenentscheidung (sog Hängebeschluss) bis zum Inkrafttreten eines vom Bundestag bereits beschlossenen Gesetzes (hier: Gesetzesbeschluss zum GKV-OrgWG vom 17.10.2008).

2. Die gesetzlichen Krankenkassen sind öffentliche Auftraggeber iS des § 98 Nr 2 GWB. Dies beruht aber nicht darauf, dass sie überwiegend vom Bund finanziert werden, sondern darauf, dass sie als staatlich kontrollierte Einrichtungen betrachtet werden können. Für landesunmittelbare Versicherungsträger ist daher die Vergabekammer des Landes zuständig.

3. Rabattverträge nach § 130a Abs 8 SGB 5 sind öffentliche Lieferaufträge iS des § 99 Abs 2 GWB, wenn das pharmazeutische Unternehmen über die Substitutionsverpflichtung des Apothekers nach § 129 Abs 1 S 3 SGB 5 einen Wettbewerbsvorteil erhält. Dies ist nur der Fall, wenn sich die Krankenkassen verpflichten, für die Dauer eines Rabattvertrages keine weiteren Rabattverträge mit anderen pharmazeutischen Unternehmern über vergleichbare Arzneimittel abzuschließen (Zusicherung von Exklusivität).

4. Mit dem Verordnungsverhalten der Vertragsärzte lässt sich eine vergaberechtliche Auswahlentscheidung und damit die Notwendigkeit einer Ausschreibung nicht begründen.

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. September 2008 wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Beigeladenen zu 1, vorab mit sofortiger Wirkung bis zum 1. Januar 2009 auszusprechen, dass die Klage der Antragstellerin vom 20. August 2008 in dem Verfahren S 10 KR 5657/08 gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 15. August 2008 (VK 3-107/08) keine aufschiebende Wirkung hat bzw. hilfsweise die sofortige Vollziehung des Beschlusses der 3. Vergabekammer des Bundes vom 15. August 2008 (VK 3-107/08) anzuordnen, wird abgelehnt.

3. Die Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2, die diese selbst trägt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes streitig, ob die am 20. August 2008 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 10 KR 5657/08) gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 15. August 2008 vom 15. August 2008 (VK 3-107/08) aufschiebende Wirkung hat.

Die Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 sind pharmazeutische Unternehmen. Sie vertreiben in Deutschland sogenannte erythropoese-stimmulierende Proteine (ESP), die biotechnologisch produzierte Nachbildungen des körpereigenen Hormons Erythropoetin (EPO) enthalten und zur Behandlung bei Blutarmut (Anämie) verwendet werden. Die Beigeladene zu 2 bietet hierzu das patentgeschützte Arzneimittel MIRCERA ® (Wirkstoff Metoxy-Polyethylenglycol-Epoetin beta, zugelassen zur nephrologischen Indikation) und Neo-Recormon ® (ohne Patentschutz, Wirkstoff: Epoetin beta, zugelassen zur nephrologischen wie onkologischen Indikation), die Beigeladene zu 1 das patentgeschützte Arzneimittel Aranesp ® (mit dem Wirkstoff Darbepoetin alfa, zugelassen zur nephrologischen wie onkologischen Indikation) an. Nur Neo-Recormon ® kann zur Vorbeugung der Frühgeborenenanämie bei Kindern mit einem Geburtsgewicht zwischen 750 und 1500 Gramm, die vor der 34. Schwangerschaftswoche geboren wurden, eingesetzt werden. Weiterhin verfügt Neo-Recormon ® über das umfassendste Sortiment in Bezug auf Dosierung- und Applikationssysteme. Auch die Zusammensetzung und Konzentration der Stabilisatoren von Epoetin beta ist im Vergleich zu den anderen ESP-Präparaten unterschiedlich.

Die Antragstellerin schloss mit der Beigeladenen zu 2 am 28. April 2008 ohne vorherige öffentliche Ausschreibung einen Rabattvertrag nach § 130a Abs. 8 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), der am 01. Mai 2008 in Kraft trat. Dieser Rabattvertrag regelt die Gewährung von Rabatten für die von der Beigeladenen zu 2 vertriebenen Arzneimittel NeoRecormon ® und MIRCERA ® , “die zu Lasten der A. unter Verwendung des Musters 16 des BMV-Ä (Kassenrezept) verordnet werden„ (§ 1 Satz 1 der Rabattvereinbarung).

Auf den von der Beigeladenen zu 1 mit Schreiben vom 11. Juli 2008 gestellten Nachprüfungsantrag stellte die 3. Vergabekammer des Bundes (Antragsgegnerin) mit Beschluss vom 15. August 2008 fest, dass die zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2 am 28. April 2008 abgeschlossene Rabattvereinbarung über die vertriebenen Arzneimittel NeoRecormon ® und MIRCERA ® nichtig sei und gab der Antragstellerin auf, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Vergabe von Rabattvereinbarungen im Sinne des § 130a Abs. 8 SGB V über ESP als Gruppe unter Berücksichtigung der Re...

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