Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens

 

Orientierungssatz

1. Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, ist nach § 198 Abs. 1 GVG angemessen zu entschädigen. Die Entschädigung beträgt 1200.- €. für jedes Jahr der Verzögerung. Die zu gewährende Entschädigung setzt voraus, dass der Beteiligte bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat.

2. Hat ein Verfahren zwar insgesamt von seiner Verfahrensdauer vergleichsweise lang gedauert, bestand andererseits aber für den Kläger offensichtlich keine relevante Bedeutung mehr für das Betreiben des Verfahrens und hatte der klägerische Bevollmächtigte erkennbar kein wirkliches Interesse an der zu klärenden Rechtsfrage, so ist ein Entschädigungsanspruch zu verneinen, vgl. hierzu den Kammerbeschluss des BVerfG, vom 27. Juli 2000 - 1 BvR 352/00; NJW 2001, 24.

 

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. für das Klageverfahren L 2 SF 1495/12 EK wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Kläger begehren die Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.

Die 1968 geborene Klägerin Ziff. 1 ist die leibliche Mutter der zwischen 1989 und 1996 geborenen Kläger Ziff. 2 bis Ziff. 5. Die Kläger wohnten zum streitgegenständlichen Zeitpunkt (2007) in einer gemeinsamen Wohnung in F. und bezogen laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten.

Mit Schreiben vom 29. August 2007 hatte der SGB II-Leistungsträger, die ARGE Freiburg (jetzt Jobcenter Freiburg), die Kläger aufgefordert, ihre Kosten der Unterkunft zu senken, da diese unangemessen hoch seien. Die Kläger wurden in dem Zusammenhang aufgefordert, Nachweise zu erbringen, dass sie sich um eine kostengünstigere Wohnung bemühen würden, und ferner darauf aufmerksam gemacht, dass die Unterkunftskosten auf den angemessenen Mietzins abgesenkt würden, sofern keine Nachweise erbracht werden sollten.

Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 23. November 2007 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2008 als unzulässig zurückwies, da es sich bei dem Schreiben vom 29. August 2007 nicht um einen Verwaltungsakt handele.

Dagegen hatten die Kläger durch ihren Bevollmächtigten am 18. Februar 2008 Klage vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Der Bevollmächtigte hatte hierbei die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Kostensenkungsaufforderung um einen Verwaltungsakt handele. Diese Aufforderung greife nämlich regelmäßig tiefgreifend in das Leben eines Leistungsempfängers ein. Zumindest dann, wenn die Sechsmonatsfrist des § 22 Abs. 1 SGB II in Gang gesetzt werde, komme der Aufforderung unmittelbarer Regelungscharakter zu. Eine gerichtliche Überprüfung sei auf der Grundlage der Auffassung der beklagten ARGE Freiburg hingegen erst dann möglich, wenn es nach nicht erfolgter Senkung der Unterkunftskosten zur Leistungskürzung komme. Damit werde dem Hilfeempfänger ein Risiko aufgebürdet, das er nicht tragen könne. Die Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten begründe die Obliegenheit des Leistungsempfängers, sich um die Senkung der Unterkunftskosten zu bemühen. Außerdem enthalte sie die Festlegung der Behörde, in welcher Höhe Unterkunftskosten zukünftig als angemessen angesehen würden.

Nach Eingang der Klage hat das SG mit Verfügung vom 17. März 2008 erforderliche Ermittlungen angestellt und insbesondere den Bevollmächtigten der Kläger aufgefordert, die zunächst unvollständigen Nachweise seiner Bevollmächtigung (fehlende Vollmachten bezüglich der schon volljährigen Kläger bzw. Vollmachten des neben der Klägerin Ziff. 1 bezüglich der minderjährigen Kinder Sorgeberechtigten) vorzulegen. Dieser Aufforderung ist der Bevollmächtigte am 20. Mai 2008 nachgekommen. Mit Schreiben vom 2. Juli 2008 hat das SG den Bevollmächtigten der Kläger darüber informiert, dass das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2008 (B 14/7b AS 70/06 R) weiterhin ausdrücklich die Auffassung vertrete, dass es sich bei Kostensenkungsaufforderungen nicht um Verwaltungsakte handele (mit Hinweis auf BSG Urteil vom 7. November 2006 - B 7 B AS 10/06 R). Des Weiteren hat das SG in dem Zusammenhang den Klägerbevollmächtigten auch aufgefordert zur Frage der Rechtswidrigkeit der Kostensenkungsaufforderung (in der Sache) Stellung zu nehmen sowie ferner die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des (damals schon volljährigen) Klägers Ziff. 2 vorzulegen. Erst nach Mahnung mit Schreiben vom 12. September 2008 (mit Fristsetzung 3. Oktober 2008) und erneuter Mahnung mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 hat der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 5. November 2008 hierzu Stellung genommen. In der Sache hat er sich dabei darauf beschränkt, erneut seine Rechtsauffassung darzulegen, dass es sich bei der beanstandeten behör...

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