Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Besorgnis der Befangenheit. Entscheidung in der Hauptsache. Mitwirkung des "abgelehnten" Richters. Rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch. Unzulässige Ablehnung eines Richters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Ablehnungsgesuch ist rechtsmissbräuchlich, wenn es lediglich dazu dienen soll, Richter, die zu einer bestimmten Rechtsfrage eine dem Gesuchsteller missliebige Rechtsauffassung vertreten, aus dem Verfahren zu drängen.

2. Hat ein Beteiligter sein Ablehnungsrecht missbraucht, kann über das Gesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zugleich mit der Entscheidung in der Hauptsache befunden werden.

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen Richter am Landessozialgericht H. wird als unzulässig verworfen.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Juli 2008 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten .

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens höheres Arbeitslosengeld (Alg).

Die 1943 geborene Klägerin meldete sich am 6. April 2006 bei der Agentur für Arbeit (AA) L. mit Wirkung zum 8. Juli 2006 arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 12. Juli 2006 stellte die AA L. den Eintritt einer Sperrzeit in der Zeit vom 8. Juli bis 29. September 2006 fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Alg; dieser mindere sich darüber hinaus um 135 Tage. Mit Bewilligungsbescheid vom selben Tag gewährte die AA L. der Klägerin Alg in Höhe von 42,47 € täglich (Bemessungsentgelt 102,72 täglich; Lohnsteuerklasse 3; Prozentsatz 60) für die Dauer von 540 Tagen. Mit ihrem am 19. Juli 2006 erhobenen Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Festsetzung einer Sperrzeit und gegen die Höhe des Alg. Betreffend die Sperrzeit hob die AA L. ihre Entscheidung mit Bescheid vom 10. August 2006 auf; im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2006 zurückgewiesen. Die am 4. Oktober 2006 erhobene Klage (S 22 AL 7336/06) wies das Sozialgericht Stuttgart mit Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2007 ab; die am 15. März 2007 eingelegte Berufung (L 12 AL 1517/07) wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 21. September 2007 zurückgewiesen. Auch die seitens der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg; sie wurde mit Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. November 2007 (B 11a AL 164/07 B) als unzulässig verworfen.

Am 4. Oktober 2007 beantragte die Klägerin sinngemäß, den (Bewilligungs-) Bescheid vom 12. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 29. August 2006 gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zu überprüfen und ihr für die Zeit vom 8. Juli 2006 bis 31. Dezember 2007 Alg in Höhe von 1.276,20 € (statt 1.274,10 €) monatlich zu gewähren. Die AA Stuttgart lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 7. November 2007 ab; den hiergegen erhobenen Widerspruch wies deren Widerspruchsstelle mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2007 zurück. Mit seiner am 19. November 2007 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. Juli 2008 abgewiesen; die Entscheidung ist dem Bevollmächtigten der Klägerin gemäß Postzustellungsurkunde am 19. August 2008 um 10:50 Uhr zugestellt worden.

Die Klägerin hat mit beim SG am Sonntag, dem 21. September 2008 eingegangenen Telefax Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Berufungsfrist sei gewahrt, da das Urteil am 19. August 2008 erst nach 16:00 Uhr zugestellt worden sei. Die Zustellung gelte deshalb erst am Folgetag, dem 20. August 2008 als bewirkt. Der Fristablauf (20. September 2008) falle auf einen Samstag, so dass die Berufungseinlegung am 21. September 2008 noch fristgerecht erfolgt sei. Hilfsweise beantrage sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie habe sich ab 10. September 2008 zusammen mit ihrem Ehemann und Prozessbevollmächtigten um dessen schwer erkrankte Tante kümmern müssen. Die Rückreise hätte erst am 21. September 2008 erfolgen können.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2007 zu verpflichten, den Bescheid vom 12. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2006 abzuändern und ihr für die Zeit vom 8. Juli 2006 bis 31. Dezember 2007 Arbeitslosengeld in Höhe von 1.276,20 € monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter hat mit an den Bevollmächtigten der Klägerin gerichteten Schreiben vom 7. Oktober 2008 und vom 24. November 2008 darauf hingewiesen, dass die Berufung verfristet sein dürfte und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraussichtlich nicht zu gewähren sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin den zum B...

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