Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldes. Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bindungswirkung der Rentenbewilligung. keine Überprüfung durch die BA
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht solange, wie eine laufende Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt wird, ohne dass es hierfür auf eine nähere Auslegung fachlicher Weisungen der Bundesagentur für Arbeit ankommt. Die Rentenbewilligung der DRV hat für die BA Tatbestandswirkung und kann von dieser grundsätzlich nicht auf ihre materiell rechtliche Richtigkeit überprüft werden.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 21.04.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft (§ 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 SGG) und auch sonst zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag
1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Denn der Beschwerdeführer (Bf.) macht die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) geltend, nachdem die Beschwerdegegnerin (Bg.) seinen Antrag auf Alg vom 01.12.2020 mit Bescheid vom 27.01.2021 wegen des laufenden Bezugs einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mit dem Hinweis auf die Vorschrift des § 156 SGB III abgelehnt hat.
Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) voraus.
Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht, Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.).
Ein Anordnungsgrund liegt nur dann vor, wenn eine einstweilige Anordnung im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Abwendung - insbesondere grundrechtsrelevanter - wesentlicher Nachteile als nötig erscheint.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden. Ein Anordnungsanspruch liegt nicht vor, weil der Gewährung von Alg die Vorschrift des § 156 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III entgegensteht. Danach ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, für die ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist; diese Regelung wird durch Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 dahingehend modifiziert, dass das Ruhen bei zuerkannter Rente wegen voller Erwerbsminderung erst vom Beginn der laufenden Zahlung der Rente an eintritt.
Der Bf. bezieht, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, aufgrund des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vom 20.05.2020 (Bl. 70 der Verwaltungsakte) eine laufende Rente wegen voller ...