Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Entscheidung über Versicherungspflicht. Arbeitgeberprüfung. Zuständigkeit. zuständiger Rentenversicherungsträger. nachträglicher Abzug des Arbeitnehmeranteils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags durch Aufrechnung. sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zuständigkeit der Einzugsstelle ist aus Gründen der Rechtssicherheit auch anzunehmen, wenn es um die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe nur in einem Sozialversicherungszweig geht (so auch BSG vom 23.9.2003 - B 12 RA 3/02 R = SozR 4-2400 § 28h Nr 1). Daraus folgt, dass für die Entscheidung über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der Arbeitgeberprüfung nach § 28p SGB 4 der nach § 28p Abs 2 SGB 4 zuständige Träger der Rentenversicherung - hier die Antragsgegnerin - zuständig ist und nicht der nach § 127 SGB 6 zuständige Rentenversicherungsträger.
2. Der nachträgliche Abzug des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags vom Arbeitsentgelt erfolgt durch Aufrechung und ist daher nur zulässig, soweit Arbeitslohn pfändbar ist.
Orientierungssatz
Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt nicht vor, wenn die erstrebte gerichtliche Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Antragstellers nicht verbessern würde.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt ua die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Klage gegen die Aufhebung der Befreiung von der Versicherungspflicht zur Antragsgegnerin.
Der Antragsteller, der ursprünglich beim Amtsgericht Ludwigsburg als Rechtsanwalt zugelassen war, wurde auf seinen Antrag mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Stuttgart vom 13. Mai 2005 (Bl 91 der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin) als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht B. zugelassen. Diese Zulassung ist bislang nicht widerrufen worden. Er ist Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in B.-W. und war auf seinen Antrag von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, Rechtsvorgängerin der Deutschen Rentenversicherung B., DRV B.) bereits mit Bescheid vom 26. Oktober 1998 (Bl 97 der Verwaltungsakte) gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit worden. Im Befreiungsbescheid wird darauf hingewiesen, dass die Befreiung grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt ist und sich auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten erstreckt, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sind und insoweit satzungsgemäß einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung gezahlt werden. Seit 1. Juli 2007 ist der Antragsteller zudem bei der Beigeladenen, einer Versicherungsgesellschaft, auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 15. Mai 2007 (Bl 75 bis 89 der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin) als “Firmenbetreuer im Innendienst im Fachbereich III KFZ„ in Vollzeit (40 Wochenstunden) beschäftigt. Das monatliche Grundgehalt belief sich zunächst auf 3.750 € und erhöhte sich nach “Beendigung der Probezeit und Übernahme„ auf 3.850 € (I. Persönliche Vertragsbedingungen). Der Antragsteller verpflichtete sich, alle ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig und gewissenhaft auszuführen. Die Antragsgegnerin behielt sich vor, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Rahmen des Direktionsrechts zu verändern (II. Allgemeine Vertragsbedingungen, § 1). Rentenversicherungsbeiträge zur Antragsgegnerin wurden nicht abgeführt.
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung gemäß § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2009 gegenüber der Beigeladenen eine Nachforderung in Höhe von 20.628,93 € für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2008 fest. Die mit Bescheid der BfA vom 26. Oktober 1998 ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für den Antragsteller erstrecke sich nicht auf die Tätigkeit bei der Beigeladenen. Zwar decke der Antragsteller in seiner Tätigkeit die Arbeitsfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung kumulativ ab, jedoch fehle die zwingend erforderliche Handlungsvollmacht gemäß § 54 Handelsgesetzbuch (HGB). Deshalb sei davon auszugehen, dass die ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht auf die Beschäftigung bei der Beigeladenen wirke. Die Befreiung von der Versicherungspflicht werde wegen Wegfalls der Befreiungsvoraussetzungen gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab 1. Juli 2007 aufgehoben. Es liege demzufolge Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung seit 1. Juli 2007 vor. Rentenversicherungsbeiträge würden für den Zeitraum...