Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Meldung der Arbeitsunfähigkeit. Obliegenheit des Versicherten. Ausnahmefall. rückwirkende Nachholung
Orientierungssatz
1. Wie bei der ärztlichen Feststellung handelt es sich auch bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist danach sowohl die Ausschlussregelung des § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 als auch des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5 strikt zu handhaben. Die Krankenkasse soll nämlich davon freigestellt werden, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen. Es muss ihr die Möglichkeit erhalten werden, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den Medizinischen Dienst überprüfen zu lassen, Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (vgl BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R = BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1).
2. Zu den vom BSG anerkannten Ausnahmefällen, in den die unterbliebene ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit rückwirkende nachgeholt werden kann (vgl BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R = aaO).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. August 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) in der Zeit vom 13. April bis 3. Dezember 2004 im Wege eines Zugunstenverfahrens streitig.
Der 1955 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker absolviert und im Anschluss daran erfolgreich die Meisterschule besucht. Von 1985 bis 1992 betrieb er selbständig eine Tankstelle mit Abschleppdienst und Werkstatt. Danach war bei verschiedenen Arbeitgebern versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bis 30. April 2002 bei der Auto-M. GmbH in B./H., wobei er vom 6. Januar 2001 bis 9. Mai 2002 Krg bezog. Am 16. Mai 2002 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Dabei gab er an, eine selbständige Nebentätigkeit im Umfang von weniger als 15 Stunden wöchentlich auszuüben und sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Daraufhin bewilligte ihm die Bundesagentur für Arbeit ab 16. Mai 2002 bis 18. Juli 2003 Alg in Höhe von wöchentlich 221,13 €, ab 1. Januar 2003 219,59 € (Bemessungsentgelt 641,98 €). Im Rechtsstreit beim Sozialgericht Mannheim (SG; S 7 R 1223/06) anerkannte die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, dass der Kläger vom 1. Dezember 2006 bis 30. November 2009 Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat.
Ab 7. Juni 2003 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und erhielt ab 19. Juli 2003 von der Beklagten Krg. Arzt für Allgemeinmedizin S. gab gegenüber der Beklagten am 21. August 2003 an, der Kläger sei arbeitsunfähig (Diagnose A68.9 = Rückfallfieber, nicht näher bezeichnet; M48.0 = Spinalkanalstenose), wobei voraussichtlich ab “26. Juli 2003„ wieder Arbeitsfähigkeit bestehe. Der Orthopäde Dr. R. führte am 9. September 2003 aus, der Kläger leide an einem Wirbelsäulensyndrom mit engen Spinalkanal C 6/7 und Wurzelreizung, Osteochondrose sowie vegetativer Dystonie. Wann voraussichtliche Arbeitsfähigkeit bestehe, könne nicht beantwortet werden. Die letzte Vorstellung des Klägers sei am 5. August 2003 gewesen, wobei der Kläger eine Überweisung zum Neurologen erhalten habe. Der Neurologe Dr. M. stellte aufgrund der Untersuchung vom 24. September 2003 unter Auswertung einer am 7. Juli 2003 durchgeführten Kernspintomografie fest, dass neben einem linksseitigen Karpaltunnelsyndrom eine Irritation der Nervenwurzel C 7 links aufgrund einer hochgradigen Einengung des linksseitigen Neuroforamens HWK 6/7, eine zervikale Enge in Höhe HWK 6/7 bei degenerativen Veränderungen mit Osteochondrose sowie retrospondylophyteren Abstützreaktionen in Höhe HWK 3 bis 7 bestehe. Manifeste sensible oder motorische, radikulär zuzuordnende Defizite ließen sich nicht eruieren. Die orthopädischen rehabilitativen Maßnahmen seien zu intensivieren. Am 14. Oktober 2003 erklärte der Kläger im Rahmen eines Selbstauskunftsbogens, er leide besonders unter den Beschwerden der Wirbelsäule (eingeklemmter Spinalkanal), wodurch er Schmerzen vom Arm bis zum Ellenbogen reichend habe, auch könne er den Hals nicht mehr drehen. Im Auszahlschein vom 23. Oktober 2003 gab der Arzt S. an, Arbeitsunfähigkeit (AU) bestehe, vom 7. Juni bis 13. November 2003, wobei er die Frage, ob weitere AU bestehe mit ja beantwortete (Diagnosen M48.0 = Spinalkanalstenose; M54.1 = Radikulopathie; M47.8 = sonstige Spondylose). Auf weitere Nachfrage verwies er auf den Auszahlschein bis 23. September 2003.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung nach ...