Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgeldanspruch minderjähriger Kinder in zeitweiser Bedarfsgemeinschaft während Ausübung des Umgangsrechts. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld. Auszahlung an anderen Elternteil

 

Orientierungssatz

1. Für Lebenshaltungskosten minderjähriger Kinder in den Zeiten der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit dem getrennt lebenden, nicht sorgeberechtigten Elternteil ist die Annahme einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB 2 gerechtfertigt (Anschluss an BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1). Für die Aufenthaltstage minderjähriger Kinder im Haushalt des hilfebedürftigen, getrennt lebenden Elternteils besteht daher ein anteiliger Anspruch der Kinder auf Sozialgeld.

2. Auf diesen anteiligen Sozialgeldanspruch ist das an den allein sorgeberechtigten Elternteil ausgezahlte Kindergeld für die minderjährigen Kinder nicht anzurechnen. § 11 Abs 1 S 3 SGB 2 ist so auszulegen, dass das Kindergeld aber nur dann als Einkommen dem jeweiligen minderjährigen Kind zuzurechnen ist, wenn es einem Elternteil als dem Kindergeldberechtigten gezahlt wird, der Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist. Denn das Kindergeld kann nur dann zur Deckung der Bedarfe der Kinder verwendet werden, wenn es der Bedarfsgemeinschaft tatsächlich zur Verfügung steht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.07.2009; Aktenzeichen B 14 AS 75/08 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern Ziff. 2 bis 4 die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob auf den Anspruch der Kläger Ziff. 2, 3 und 4 auf Sozialgeld während ihres Aufenthaltes in der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin Ziff. 1 das für sie gezahlte Kindergeld als Einkommen anzurechnen ist.

Die ... 1978 geb. Klägerin Ziff. 1 ist die Mutter des ... 1996 geb. Klägers Ziff. 2 und der beiden ... 1999 geb. Kläger Ziff. 3 und 4. Weiterhin ist sie Mutter dreier weiterer, jüngerer Kinder. Mit dem Vater der Kläger Ziff. 2 bis 4 war die Klägerin Ziff. 1 nicht verheiratet. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. November 2002 (Aktenzeichen: 18 QF 143/02) wurde das alleinige Sorgerecht für die Kläger Ziff. 2 bis 4 dem Vater übertragen. Nach einer von der Klägerin Ziff. 1 und dem Vater getroffenen Umgangsrechtvereinbarung vom 23. September 2003 - bestätigt mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg i. Br. vom 23. September 2003 (Aktenzeichen: 43 F 107/03) - halten sich die Kläger Ziff. 2 bis 4 alle 14 Tage von Freitag, 17:00 Uhr bis Sonntag, 18:00 Uhr bei der Klägerin Ziff. 1 auf. Zudem verbringen sie die ersten 7 Tage von Oster- und Weihnachtsferien vom ersten Tag 12:00 Uhr bis zum 7. Tag, 18:00 Uhr, und weitere 14 jeweils zu vereinbarende Tage während der Sommerferien bei der Klägerin Ziff. 1. Der Vater der Kläger Ziff. 2 bis 4 ist verheiratet, hat 2 weitere Kinder und ist versicherungspflichtig beschäftigt bei der Solarfabrik F; er bezieht keine Sozialleistungen. Seine Unterhaltspflicht gegenüber den Kläger Ziff. 2 bis 4 erbringt er durch Gewährung von Naturalunterhalt. Das Kindergeld für die Kläger Ziff. 2 bis 4 in Höhe von jeweils 154,00 € wird an den Vater gezahlt. Die Kläger Ziff. 2 bis 4 verfügen ansonsten über kein Einkommen oder Vermögen. Bis 31. Dezember 2004 bezog die Klägerin Ziff. 1 mit ihrem damaligen Lebenspartner Sozialhilfe. Hierbei wurden anteilige Regelsätze während des Aufenthaltes der Kläger Ziff. 2 bis 4 bei der Klägerin Ziff. 1 gezahlt. Seit 1. Januar 2005 bezog die Klägerin Ziff. 1 mit ihrem damaligen Lebenspartner und ihrer ... 2003 geborenen weiteren Tochter Arbeitslosengeld II (ALG II) nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit der Trennung von ihrem Lebenspartner im September 2005 bezieht sie für sich und als Alleinerziehende ihrer 2003, 2006 und 2008 geborenen Kinder ALG II. Die Klägerin Ziff. 1 und ihre Kinder bewohnen eine etwa 84 m² große Wohnung, für die eine Kaltmiete in Höhe von 330,40 € zu zahlen ist.

Am 3. Juli 2006 beantragte die Klägerin Ziff. 1 bei der Beklagten für die Aufenthalte der Kläger Ziff. 2 bis 4 bei ihr anteilig Leistungen nach dem SGB II. Der Antrag war allgemein für die Zukunft formuliert, wurde jedoch wegen der bevorstehenden Sommerferien für den vereinbarten Aufenthalt für die Kläger Ziff. 2 bis 4 vom 28. August bis 10. September 2006 gestellt. Mit Bescheid vom 19. Juli 2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für das Umgangsrecht mit den Kindern ab. Den hiergegen am 8. August 2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 zurück. Zeitgleich mit dem Widerspruch beantragte die Klägerin Ziff. 1 beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit Beschluss vom 24. August 2006 (Aktenzeichen: S 9 AS 3898/06 ER) verpflichtete das SG die Beklagte, der Klägerin Ziff. 1 ein Darlehen in...

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