Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. tarifvertragliches Sterbegeld
Leitsatz (amtlich)
Tarifliches Sterbegeld ist als laufendes Einkommen auf den grundsicherungsrechtlichen Bedarf anzurechnen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 29.07.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der SGB II-Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.03.2014 wegen den Bedarf übersteigenden Einkommens (tarifliches Sterbegeld).
Der Ehemann der 1984 geborenen Klägerin verstarb am 05.12.2013. Am 09.12.2013 überwies der Arbeitgeber des verstorbenen Ehemannes, die K. G. KG in I. auf dessen Girokonto das Arbeitsentgelt für November 2013 in Höhe von 2.271,61 €.
Am 18.12.2013 beantragte die Klägerin für sich und ihre drei Kinder SGB II-Leistungen mit Wirkung ab dem 01.01.2014. Ausweislich der von ihr vorgelegten Verdienstbescheinigung (Bl. 14 VA) erzielte sie im Dezember ein monatliches Nettoeinkommen von 344,29 € aus versicherungspflichtiger Beschäftigung; das regelmäßige Grundgehalt (ohne die im Dezember ausgezahlte Sonderzuwendung von anteilig 24,10 € brutto) betrug brutto 321,32 € und netto (nach Abzug des Arbeitnehmerbeitrages zur kirchlichen Zusatzversorgung) 320,71 € (Bl. 97 VA). Außerdem bezog sie monatlich 558 € Kindergeld. Ab Februar 2014 betrug die Miete für die Familienwohnung insgesamt 640 € (491 € Kaltmiete zuzüglich 149 € Nebenkosten).
Der Beklagte bewilligte der Klägerin und ihren drei in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern mit Bescheid vom 20.01.2014 SGB II-Leistungen ab dem 01.01.2014. Ab Februar betrug die Höhe der bewilligten Leistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft monatlich insgesamt 1.132,76 € (492,76 € Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, 640 € Kosten der Unterkunft und Heizung ≪KdU≫), davon 587,95 € entfallend auf die Klägerin (427,95 € Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts inkl. Mehrbedarf für Alleinerziehende, 160 € KdU). Vom Regelbedarf für die Klägerin und ihre Kinder von 1.110 € zuzüglich Mehrbedarf für Alleinerziehende für die Klägerin in Höhe von 140,76 € (Summe: 1.250,76 €) und den KdU von insgesamt 640 € brachte der Beklagte 758 € anzurechnendes Einkommen in Abzug (Kindergeld 558 und Erwerbseinkommen von 350 €, letzteres bereinigt um die Freibeträge von insgesamt 150 € nach § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB 2 in der Fassung vom 21.03.2013).
Nachdem der Beklagte im Februar 2014 vom Landratsamt R. die Mitteilung erhalten hatte, dass die Klägerin für ihre Kinder ab dem 01.03.2018 laufende Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz von insgesamt 446 € monatlich erhalten werde, senkte sie den Bewilligungsbetrag für die Bedarfsgemeinschaft ab dem 01.03.2014 mit Bescheid vom 10.02.2014 um diesen Betrag auf monatlich insgesamt 686,76 € ab, davon entfallend auf die Klägerin 535,75 € (375,75 € Regelleistungen und 160 € KdU).
Am 09.04.2014 teilte die Klägerin dem Beklagten unter Vorlage von Kontoauszügen mit, dass der ehemalige Arbeitgeber auf das Girokonto ihres Neffen am 30.01.2014 und 27.02.2104 je 2.536,14 € Sterbegeld überwiesen habe, welches dieser ihr jeweils am 01.02.2014 und am 01.03.2014 in bar ausgehändigt habe.
Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 09.04.2014 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für Februar und März 2014 wegen Einkommens ihres verstorbenen Ehemannes gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III auf. Eine Rückforderung der bereits erbrachten Leistungen für Februar 2014 werde geprüft. Für März 2014 erhielten die Klägerin und ihre Kinder keine Leistungen, sondern erst wieder ab dem 01.04.2014 in Höhe von 686,76 €.
Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2014 zurück. Vom Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes sei noch bis einschließlich Februar 2014 Arbeitseinkommen geleistet worden, welches ihr am 01.02.2014 und 01.03.2014 bar ausgezahlt worden sei. Laufende Einnahmen, zu denen auch laufendes Erwerbseinkommen gehöre, seien in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zuflössen. Das Gesamteinkommen der Klägerin und ihrer Familienangehörigen sei im streitigen Zeitraum höher gewesen als ihr Bedarf von monatlich 1.890,76 €, so dass keine Hilfebedürftigkeit bestanden habe.
Hiergegen hat die Klägerin vertreten durch ihren Bevollmächtigten am 16.07.2014 Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter seiner Beiordnung beantragt. Sie hat geltend gemacht, bei dem Sterbegeld handele es sich um eine zweckbestimmte Einnahme; es sei zur Abdeckung der Beerdigungskosten von insgesamt 4.385,54 € bestimmt gewesen und dafür von der Klägerin auch verwendet worden. Die Friedhofsgebühren der Stadt R. von 2.025 € (Gebührenbescheid vom 08.01.2014) hat die Klägeri...