Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Hörgerät. Notwendigkeit zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit. abhängig von den spezifischen Anforderungen des Arbeitsplatzes. maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Kostenerstattung. Sachleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Frage, ob die Versorgung mit Hörgeräten notwendig ist, um eine bereits eingetretene Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder zu beseitigen, kommt es nur auf die spezifischen Anforderungen des Arbeitsplatzes an, den der Versicherte innehat.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einem geltend gemachten Anspruch auf Versorgung mit einem den Festbetrag übersteigenden Hörgerät ist bei einer Kostenerstattung entweder der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder der Zeitpunkt, zu dem sich der Versicherte das Hörgerät selbst verschafft hat.
3. Wird ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hörgerät als Sachleistung geltend gemacht, ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht maßgebend.
Tenor
Auf die Berufung der Beigeladenen wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18.06.2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der beigeladene Rentenversicherungsträger wendet sich mit seiner Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim (SG), mit dem die beklagte Krankenkasse zur Versorgung des Klägers mit dem Hörgerät Sivantos Pure 13 7Nx S, soweit die Kosten den Festbetrag übersteigen, verurteilt worden ist. Sie befürchtet, der Beklagten die Kosten erstatten zu müssen, weil das SG den Anspruch des Klägers auf einen spezifisch berufsbedingten Bedarf gestützt habe. Die Beigeladene ist der Auffassung, das Hörgerät sei von der Beklagten in eigener Zuständigkeit zu erbringen.
Der 1961 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger ist gelernter Schreinermeister und Betriebswirt und war als technischer Betriebswirt bei der K. Büroeinrichtungen GmbH in Vollzeit tätig. Sein Aufgabengebiet umfasste die Beratung und den Verkauf von Büromöbeln sowie die Betreuung von Bauobjekten ab Rohbau bis zur Schlüsselübergabe. Seit April 2020 ist der Kläger arbeitslos.
Am 15.03.2018 stellte der Kläger bei der Beigeladenen unter Vorlage einer von der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. K. am 29.01.2018 ausgestellten ohrenärztlichen Verordnung von Hörhilfen mit der Diagnose Innenohrschwerhörigkeit beidseits, eines Sprach- und Tonaudiogramms sowie eines Anpass- und Abschlussberichts des Hörakustikers K. Hörgeräte GmbH vom 05.02.2018 (Datum der Messung 23.01.2018) und drei Kostenvoranschlägen für die Hörgeräte Sivantos Pure 13 7Nx (Gesamtpreis von 5.501,95 €), Sivantos Pure 13 3Nx (Gesamtpreis 3.533,95 €) und des Phonak Baseo Q15-M (Gesamtpreis 1.481,95 €) der K. Hörgeräte GmbH vom 08.03.2018 sowie eines Schreibens seines Arbeitsgebers vom 05.03.2018 über seinen Tätigkeitsbereich einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation). Ausweislich des Anpass- und Abschlussberichts erzielte der Kläger mit dem Gerät Sivantos sDEMO Pure 13 7Nx im Freiburger Sprachtest mit 65 dB Nutzschall ein Sprachverstehen von 100 %, mit zusätzlich 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 75 %. Das streitgegenständliche Gerät Sivantos Pure 13 7 Nx sowie das aufzahlungsfreie Phonak Baseo Q15-M brachten jeweils mit Nutzschall von 65 dB ein Sprachverstehen von 95 % und mit zusätzlich 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 70%.
Mit Schreiben vom 21.03.2018 leitete die Beigeladene den Antrag an die Beklagte weiter. Nach Auffassung der Beigeladenen handelt es sich bei den in Betracht kommenden Leistungen nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Höranforderungen für die Berufsausübung als Verkäufer/Objektbetreuung beinhalte keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit der Hörgeräteversorgung. Persönliche oder telefonische Kommunikation im Zweier- oder Gruppengespräch - auch bei ungünstigen akustischen Bedingungen bzw störenden Umgebungsgeräuschen am Arbeitsplatz - stelle eine Anforderung an das Hörvermögen dar, die bei nahezu jeder Berufsausübung bestehe und daher keine spezifisch berufsbedingte Bedarfslage begründen könne. Zugleich informierte die Beigeladene den Kläger über die Weiterleitung.
Mit Bescheid vom 17.04.2018 bewilligte die Beklagte den Festbetrag für die Hörgeräteversorgung in Höhe von 1.514,00 € als Beteiligung an dem begehrten Gerät Pure 7px S. Sie führte aus, die Beigeladene habe leider die erforderlichen Leistungsvoraussetzungen nicht bestätigen können, da die Anforderung in der Berufstätigkeit des Klägers keine spezifische berufsbedingte Notwendigkeit für die beantragte Hörgeräteversorgung erkennen lasse. Dagegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, dass aus beruflichen Gründen ein Hörgerät zur Grundversorgung nicht ausreiche. Er sei aufgrund seiner Tätigkeit immer wieder versc...