Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung der Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Verlustvortrag nach § 10d EstG nicht von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen, selbst dann nicht, wenn der Verlustvortrag aus (hier: klimaschützenden) Investitionen in Wohneigentum herrührt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.12.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig sind Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für das Jahr 2018.
Der 1943 geborene Kläger ist seit dem 15.05.2011 als Rentner freiwillig bei den Beklagten kranken- und pflegeversichert. Der Einkommenssteuerbescheid vom 16.09.2019 für das Jahr 2018 weist neben der Rente sowie Einkünften aus selbständiger Tätigkeit und Kapitalvermögen auch Einkünfte Vermietung und Verpachtung in Höhe von 8.547,00 € sowie einen Verlustvortrag in Höhe von 27.090 € aus.
Für das Jahr 2018 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - zunächst vorläufig Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung fest (Bescheide vom 05.01.2018, 09.05.2018 und 02.08.2018). Dabei berücksichtigte sie keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil die maßgeblichen Einkommenssteuerbescheide der Vorjahre keine bzw. negative Einkünfte auswiesen. Mit Schreiben vom 23.12.2019 übersandte der Kläger den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2018.
Mit Bescheid vom 23.01.2020 setzte die Beklagte zu 1) daraufhin - auch im Namen der Beklagten zu 2) - die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2018 endgültig fest und forderte Beiträge (u.a.) aus Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von insgesamt 1.491,45 €. Hierbei setzte sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 8.547,00 € (monatlich 712,25 €) an. Insgesamt ergab sich eine Nachforderung in Höhe von 1.329,84 €. Außerdem wurden die Beiträge ab 01.02.2020 unter Vorbehalt neu festgesetzt und dabei ebenfalls die im Einkommenssteuerbescheid für 2018 ausgewiesenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verbeitragt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 29.01.2020 Widerspruch. Aus dem Steuerbescheid für das Jahr 2016 ergebe sich, dass aus der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ein festgestellter Verlust entstanden sei, der auf die Folgejahre zu übertragen sei. Das Finanzamt habe im Einkommenssteuerbescheid für 2018 die Verluste gegengerechnet. Die Beitragsfestsetzung sei mithin fehlerhaft erfolgt.
Mit Bescheid vom 15.06.2020 stellte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - die Beiträge ab 01.04.2020 ohne Berücksichtigung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung neu fest, nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass sich seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung infolge der Corona-Pandemie stark verringert hätten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2020 wiesen die Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung führten sie aus, aus dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2018 ergäben sich monatliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 712,25 €. Ein vertikaler Verlustausgleich zwischen den verschiedenen Einkommensarten sei nicht zulässig. Der Abzug von Verlusten nach Maßgabe des § 10 d Einkommenssteuergesetz (≪EStG≫; Verlustvortrag und Verlustrücktrag) zähle nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 16.05.2001 (- B 5 RJ 46/00 R -) nicht zu den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts.
Am 13.01.2021 hat der Kläger zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Verluste aus Vermietung und Verpachtung seien zu berücksichtigen. Der Verlust in Höhe von 71.531,00 € sei noch nicht ausgeglichen.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 28.12.2021 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein sog. Verlustvortrag hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach§ 10 d EStG sei nicht bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen. Die Norm des§ 10 d EStG zähle bereits nach dem Gesetzeswortlaut und der Systematik des EStG nicht zu den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts im Sinne des§ 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) . Ausgehend vom Wortlaut des§ 10d Abs. 1 Satz 1 EStG („Negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte“) knüpfe die Regelung an einen abschnittsübergreifenden Verlustausgleich an, d.h. den Ausgleich von Verlusten aus mehreren Einkunftsarten. Der Ausgleich finde demnach nach der Ermittlung der Einkünfte auf einer Ebene statt. Das Gericht schließe sich hierbei der Rechtsprechung des BSG an, wonach ein Verlustvortrag bei der Anrechnung von Arbeitseinkommen auf eine Rente keine Anwendung finden soll (unter Verweis aufBSG, Urteil vom 16.05.2001 - B 5 RJ 46/00 R -,...