Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Beitragsbemessung. Vereinbarung von Sachlohn (Überlassung eines Firmenwagens des Arbeitgebers zur privaten Nutzung) gegen (teilweisen) Verzicht auf des Barlohns. Beitragspflicht des Differenzbetrages zwischen Gehaltsverzicht und Sachbezugswert
Orientierungssatz
1. Wird einem Arbeitnehmer als Sachlohn (Sachbezug) ein Firmenwagen des Arbeitgebers zur privaten Nutzung überlassen und im Gegenzug der Barlohn zur Abgeltung von Unterhaltskosten und Wertverlust des Firmenwagens einvernehmlich reduziert, sind Sozialversicherungsbeiträge auf den beitragsrechtlich maßgeblichen Wert des Sachbezugs (Sachlohn) und auf den Nennbetrag des reduzierten Barlohns zu erheben. Das gilt auch dann, wenn die Summe aus dem Wert des Sachbezugs und dem reduzierten Barlohn geringer ist als ein dem Arbeitnehmer ohne Sachbezug zustehender reiner Barlohn.
2. Der Austausch von Lohnformen, wie die Vereinbarung von Sachlohn gegen einen (teilweisen) Verzicht auf Barlohn ist grundsätzlich zulässig. Es unterliegt der insoweit aus Rechtsgründen nicht eingeschränkten Vertragsfreiheit der Partner des Arbeitsvertrags, das Arbeitsentgelt als reinen Barlohn festzulegen oder sich anstelle eines Barlohnanspruchs auf ein Kombinationsmodell aus Sachlohn, wie der Überlassung eines Firmenwagens zur privaten Nutzung, und Barlohn zu einigen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.8.2007 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 29.4.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2005 bzw. des Änderungsbescheids vom 21.7.2008 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 26.981,37 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Hinblick auf die Überlassung von Firmenfahrzeugen an die Beigeladenen Nummer 1 bis 13 (Arbeitnehmer der Klägerin) zur privaten Nutzung sowie zur Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Zeitraum 1.12.1999 bis 31.12.2003).
Die Klägerin, die keinem Tarifvertrag unterworfen ist und die auch nicht von einem für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag erfasst ist, produziert und vertreibt feinmechanische Serienteile und Baugruppen. Sie hat mit den beigeladenen Arbeitnehmern (Beigeladene Nr. 1 bis 13) Arbeitsverträge abgeschlossen, in denen (u.a.) das Arbeitsentgelt als Stundenlohn festgelegt ist. Ein Teil der Arbeitsverträge enthält eine Bestimmung, wonach Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags der Schriftform bedürfen (vgl. Nr. 12 des Arbeitsvertrags des Beigeladenen Nr. 12, SG-Akte S. 45).
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung (§ 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV) gab die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 29.4.2005 auf, für die Zeit vom 1.12.1999 bis 31.12.2003 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 26.981,37 € nachzuzahlen. Zur Begründung führte sie unter Hinweis auf § 14 Abs. 1 SGB IV aus, bei dem privaten Nutzungswert eines dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassenen Firmenfahrzeugs handele es sich steuerrechtlich um einen geldwerten Vorteil und sozialversicherungsrechtlich um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Die Ermittlung des privaten Nutzungswerts richte sich nach den einschlägigen Bestimmungen der Lohnsteuerrichtlinien (LStR); zahle der Arbeitnehmer für die Nutzung ein Entgelt an den Arbeitgeber, werde dadurch der Nutzungswert gemindert. Die Klägerin habe mehreren Arbeitnehmern einen Firmenwagen zur privaten Nutzung überlassen. Der private Nutzungswert sei anhand der "1-%-Regelung" als geldwerter Vorteil der Beitragspflicht unterworfen worden. Der Bruttolohn des jeweiligen Arbeitnehmers sei zudem jedoch um einen individuellen Betrag gekürzt worden, der anhand des Fahrzeugs, der gefahrenen Kilometer und weiterer persönlicher Voraussetzungen des Arbeitnehmers festgelegt worden sei. Der Kürzungsbetrag (Entgeltumwandlung) sei bei jedem Arbeitnehmer deutlich höher gewesen als der Betrag des geldwerten Vorteils aus der privaten Nutzung des Firmenfahrzeugs. Entgeltumwandlungen verringerten das Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung und damit die für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge maßgebende Bemessungsgrundlage. Die Entgeltumwandlung müsse arbeitsrechtlich zulässig, zur Erfüllung der Voraussetzungen schriftlich niedergelegt und auf künftig fällig werdende Arbeitsentgeltbestandteile gerichtet sein. Fehle es an einer dieser Voraussetzungen, sei die Umwandlung beitragsrechtlich nicht zu beachten; Sozialversicherungsbeiträge müssten dann weiterhin aus dem vollen Arbeitsentgelt berechnet werden. Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger ließen eine Umwandlung von Barlohn in einen begünstigten Sachbezug mit sozialversicherungsr...