Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkursausfallgeldanspruch. Arbeitnehmereigenschaft. GmbH-Gesellschafter
Orientierungssatz
1. Zu den tatsächlichen Verhältnissen nach denen die Arbeitnehmereigenschaft eines Gesellschafters zu beurteilen ist, gehört auch die vorhandene Rechtsmacht des Gesellschafters, unabhängig von ihrer Ausübung. Sowohl derjenige, der Rechtsmacht hat, als auch derjenige der die Gesellschaft ohne Rechtsmacht tatsächlich leitet, ist nicht abhängig beschäftigt (vgl BSG vom 9.11.1989 - 11 RAr 39/89 = BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19).
2. Ein mitarbeitender Gesellschafter, der zwar nicht Geschäftsführer, aber zu 50% am Stammkapital einer GmbH beteiligt ist, deren Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt werden können, hat die Möglichkeit Einfluß auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen. Ob er dies getan hat oder nicht spielt keine Rolle, denn die theoretische Rechtsmacht reicht aus. Hat er in Arbeitsteilung mit dem Geschäftsführer bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 60 Stunden die Bauarbeiten geleitet, in leitender Position Personal eingestellt bzw entlassen, der GmbH umfangreiche Darlehen gewährt und sich nach weiteren Indizien wie ein selbständiger Unternehmer verhalten, so liegt keine Arbeitnehmereigenschaft vor.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Nr. 1 die Zahlung von Konkursausfallgeld (Kaug) sowie von der Beklagten Nr. 2 die Feststellung, er sei während seiner Tätigkeit als Polier bei der G ... GmbH ab 1.6.1991 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.
Der Kläger und Herr S waren Gesellschafter der G ... GmbH (im folgenden: G-GmbH). Diese wurde durch einen notariell beurkundeten GmbH-Vertrag vom 19.9.1991 errichtet. Zum stets einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer wurde unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Herr S bestellt (§ 2 des GmbH-Vertrages). Der Gesellschaftsvertrag vom 19.4.1991 enthielt des Weiteren u. a. folgende Bestimmungen:
§ 2
Gegenstand des Unternehmens
(1) Gegenstand des Unternehmens ist
1. die Vermittlung oder die Gelegenheit zum Nachweis des Abschlusses von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, gewerbliche Räume, Wohnräume oder Darlehen;
2. die Vorbereitung oder Durchführung von Bauvorhaben als Bauherr in eigenem Namen für eigene oder fremde Rechnung oder als Baubetreuer in fremden Namen für fremde Rechnung;
3. das Erwerben und Verwerten sowie die Verwaltung von Immobilien aller Art, deren Bebauung, Sanierung, Aufteilung und Veräußerung sowie Planung und Entwicklung von Wohn- und Gewerbeimmobilien.
§ 3
Stammkapital, Stammeinlagen
(1) Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt DM 50.000,00.
(2) Auf das Stammkapital übernehmen als Stammeinlage:
a) Herr H S den Betrag von DM 25.000,00
b) Herr M G den Betrag von DM 25.000,00.
§ 6
Gesellschafterversammlung
(3) Die Gesellschafterversammlung ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte des Stammkapitals vertreten ist. Wenn nicht, so ist innerhalb von vier Wochen eine neue Versammlung mit gleicher Tagesordnung zum gleichen Tagungsort einzuberufen, die alsdann ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähig ist.
§ 7
Gesellschafterbeschlüsse
(1) Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht die Satzung oder das Gesetz nicht eine andere Mehrheit vorschreiben. Stimmenthaltung gilt als nicht abgegebene Stimme. Je DM 100,00 eines Geschäftsanteiles gewähren eine Stimme. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt.
(3) Zu folgenden Beschlüssen ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich:
a) Bestellung oder Abberufung eines Geschäftsführers, der zugleich Gesellschafter ist (hiervon unberührt bleibt die Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund mit einfacher Mehrheit);
b) Änderungen des Gesellschaftsvertrages einschließlich Kapitalerhöhung und -herabsetzung;
c) Auflösung der Gesellschaft;
d) Übernahme, Kündigung oder Aufgabe einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft, an welcher die Gesellschaft die persönliche Haftung übernommen hat.
Über das Vermögen der G-GmbH wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 22.5.1997 das Konkursverfahren eröffnet und der Beigeladene Nr. 1 als Konkursverwalter bestellt.
Der Kläger beantragte am 24.7.1997 beim Arbeitsamt S (AA) Kaug. Der ausgefüllte Antragsvordruck ging beim AA am 2.9.1997 ein. Der Beigeladene Nr. 1 als Konkursverwalter der G-GmbH bescheinigte dem Kläger noch zu zahlendes Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1.4.1997 bis 21.5.1997 in Höhe von insgesamt DM 7.293,32.
Das AA lehnte den Antrag des Klägers auf Kaug ab, weil er am Stammkapital der G-GmbH mit 50% beteiligt sei und deshalb nicht zum Kreis der Arbeitnehmer gehöre. (Bescheid vom 19.9.1997). Den Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle des AA zurück (Widerspruchsbescheid vom 7.4...