Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Impfschaden. Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Mutter als Zeugin für Impfkomplikation. sozialgerichtliches Verfahren. keine Zeugenvernehmung der Mutter als Betreuerin. Unzulässigkeit der Parteivernehmung. ergänzende Befragung des Sachverständigen. erforderliche Darlegung des Mehrwerts der erneuten Befragung. Unzulässigkeit eines Ausforschungsbeweises

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Betreuer kann innerhalb seines Aufgabenkreises nicht als Zeuge im Prozess des Betreuten vernommen werden. Auch eine Parteivernehmung des Betreuers scheidet aus, da eine solche im sozialgerichtlichen Verfahren kein förmliches Beweismittel und somit kein Mittel der Sachaufklärung darstellt.

2. Bei der beantragten nochmaligen, ergänzenden Befragung der Sachverständigen im Termin muss erkennbar sein, welchen über die Wiederholung der bereits vorliegenden Äußerungen hinausreichenden Mehrwert die erneute Befragung haben soll.

3. Um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handelt es sich, wenn der Kläger für seine Behauptung - hier eines Impfschadens - nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt im Rahmen eines wiederholten Überprüfungsverfahrens die Anerkennung einer postvakzinalen Enzephalopathie als Folge eines Impfschadens und die Gewährung von Grundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 100, hilfsweise eine Kannversorgung beziehungsweise einen Härteausgleich.

Am 14. August 2002 wurde für den 1963 geborenen Kläger die Gewährung von Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) beantragt. Ohne Vorlage ärztlicher Unterlagen wurde ein zerebraler Hirnschaden als Folge von einer Impfung gegen Keuchhusten, Diphtherie und Tetanus geltend gemacht. Der Versuch des Beklagten, über den inzwischen verstorbenen Kinderarzt Dr. K. und dessen unbekannt verzogenen Praxisnachfolger sowie das Kreiskrankenhaus Heidenheim und den Fachbereich Gesundheit des Landratsamts Heidenheim ärztliche Unterlagen über den Kläger beizuziehen, blieb ohne Erfolg. Mit Bescheid vom 28. April 2003 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens nach dem IfSG ab. Ein Nachweis für die angegebene Impfung habe nicht erbracht werden können.

Am 20. November 2003 wurde für den Kläger erneut die Gewährung von Versorgung nach dem IfSG beantragt. Vorgelegt wurden ein Auszug aus dem Impfbuch des Klägers, die Leistungskarte und die Auskünfte der Kaufmännischen Krankenkasse vom 18. Dezember 2003 und 15. März 2004 sowie die Bescheinigung des Facharztes für Kinderkrankheiten Dr. F. vom 20. April 1967. Daraus und aus den hierzu gemachten Angaben der Mutter des Klägers ergibt sich, dass der Kläger am 22. Mai 1964, 19. Juni 1964 und 21. Juli 1964 durch Dr. K. jeweils gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis geimpft sowie vom 26. Juli bis zum 1. August 1964 wegen des Verdachts auf eine Meningitis im Kreiskrankenhaus Heidenheim, vom 9. bis zum 11. September 1965 wegen eines zerebralen Anfallsleidens, vom 10. bis zum 15. April 1967 wegen einer schweren Gastroenteritis mit beginnender Exsikkose im Kreiskrankenhaus Lörrach oder im Kinderspital Basel, vom 13. bis zum 28. April 1970 wegen einer Mandeloperation im Kreiskrankenhaus Holzminden und vom 6. bis zum 11. November 1972 im Kreiskrankenhaus Heidenheim stationär behandelt worden war.

Der Beklagte zog die über den Kläger geführten Schwerbehindertenakten bei. In dem Antrag auf Feststellung einer Behinderung gab der Vater des Klägers dort an, dass der frühkindliche Zerebralschaden des Klägers seine Ursache vor oder bei der Geburt habe. Aktenkundig sind in der Schwerbehindertenakte ferner der vom Amtsarzt Dr. D. in seiner Bescheinigung vom 14. November 1974 erhobene Befund einer frühkindlichen zerebralen Schädigung mit vorwiegend geistigem Entwicklungsrückstand und erethischen Unruhezuständen und das versorgungsärztliche Gutachten der Fachärztin für Innere Krankheiten Dr. M.-V. vom 10. Oktober 1977, wonach beim Kläger nach Angaben von dessen Mutter bei normaler Geburt postnatal eine blaue Asphyxie aufgetreten und die Entwicklung der Motorik (Sitzen nach 9 Monaten und Laufen nach 18 Monaten) und der Sprache verzögert gewesen sei und als Behinderungen ein mittelschwerer Schwachsinn sowie erhebliche Verhaltensstörungen bei frühkindlicher Hirnschädigung berücksichtigt wurden.

Ferner wurde für den Kläger der Entwicklungsbericht der Diplompädagogin Sch. vom 7. Oktober 1997 vorgelegt. Darin wird angegeben, laut Angaben der Mutter des Klägers habe dieser perinatal eine Zyanose erlitten. In einem Entwicklungsbericht vom 21. Mai 1981 habe Dr. E. die Vermutung geäußert, der Kläger leide an den Folgen einer frühkindlichen Hirnhautentzündung...

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