Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Klage. aktive Prozessführungsbefugnis. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Klage eines kommunalen Trägers auf Erstattung der Kosten einer psychosozialen Betreuung während des Aufenthalts in einem Frauenhaus. Wahrnehmung der Aufgaben der Träger durch die gemeinsame Einrichtung. wirksame Rückübertragung
Leitsatz (amtlich)
1. Es entspricht der Funktion des Jobcenters, sämtliche Aufgaben auch des kommunalen Trägers wahrzunehmen, sofern nicht die Trägerversammlung eine Rückübertragung dieser Aufgaben beschließt. Ohne eine Rückübertragung ist aktiv prozessführungsbefugt für auf § 36a SGB II gestützte Erstattungsstreitverfahren das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung.
2. Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Rückübertragung nach § 44c Abs 2 Satz 2 Nr 4 SGB II.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. April 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten i.H.v. 1.262,80 Euro einer psychosozialen Betreuung, die während eines Aufenthalts in einem im klagenden Landkreis gelegenen Frauenhaus erfolgt ist.
Die 1983 im L. geborene H. A. N. (künftig nur H.) und ihre am 2006 geborene Tochter Z. (künftig nur Z.) lebten von 2009 bis zum 14. Dezember 2011 zunächst im Gebiet der beklagten kreisfreien Stadt. Wegen Bedrohungen durch ihren Ehemann waren H. und Z. am 15. Dezember 2011 aus der gemeinsamen Wohnung in ein im Stadtgebiet K. gelegenes Frauenhaus geflohen. Nachdem der Ehemann der H. und ihr Bruder ihren Aufenthaltsort herausgefunden hatten, flüchteten H. und Z. am 28. Dezember 2011 in das in B. (Z.) gelegene Frauenhaus des Frauenhaus Z. e.V. (künftig nur Verein). Dort hielten sie sich bis zum 25. Januar 2012 auf. Das Jobcenter Z. gewährte ihnen mit Bescheid vom 5. Januar 2012 für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ab dem 26. Januar 2012 hielten sich H. und Z. sodann in einem Frauenhaus in S. auf.
Die Kosten der Unterbringung von H. und Z. für die Zeit vom 28. Dezember 2011 bis 25. Januar 2012 bezifferte der Verein auf insgesamt 1.713,90 Euro (Rechnungen vom 31. Dezember 2011 und 31. Januar 2012 ≪Blatt 30 und 31 der Kläger-Verwaltungsakte≫). Mit Bescheid vom 9. Februar 2012 bewilligte der Kläger H. und Z. für den genannten Zeitraum “entstehende Unterbringungskosten im Frauenhaus B. im Rahmen der Vorschriften des SGB II„. Im Bescheid wurde ausgeführt, dass “die im Rahmen der psychosozialen Betreuung entstandenen Kosten gem. § 16a SGB II und die Unterkunftskosten im Rahmen des § 22 SGB II„ übernommen würden. Die Abrechnung erfolge direkt mit dem Frauenhaus. Mit Schreiben vom 9. Februar 2012 machte der Kläger bei der Beklagten u.a. einen Kostenerstattungsanspruch i.H.v. insgesamt 1.262,80 Euro für die Kosten der Betreuung von H. und Z. im Frauenhaus B. im Zeitraum vom 28. Dezember 2011 bis 25. Januar 2012 geltend, wobei der Auszugstag wegen Umzugs in ein anderes Frauenhaus nicht berechnet werde. Mit Antwortschreiben vom 14. Februar 2012 (Blatt 43 der Kläger-Verwaltungsakte) anerkannte die Beklagte ihre Kostenerstattungspflicht dem Grunde nach - “soweit Leistungen durch den kommunalen Träger im Frauenhaus zu gewähren„ seien - und bat um Übersendung der mit dem Frauenhaus getroffenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung. Nach Mitteilung des Klägers (Schreiben vom 12. März 2012), dass schriftliche Vereinbarungen mit dem Verein nicht bestünden, und Übersendung eines Aktenvermerks des Kreissozialamts vom 5. Mai 2009 (“Betreuungssätze im Frauenhaus Z. für Bewohnerinnen und deren Kinder aus anderen Landkreisen„ ≪Blatt 62 der Kläger-Verwaltungsakte≫) an die Beklagte, teilte diese mit (Schreiben vom 21. März 2012), dass sie die bezifferten psychosozialen Betreuungskosten mangels Vereinbarung nach § 17 SGB II nicht erstatten werde.
Am 17. April 2012 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage auf Zahlung eines Betrags i.H.v. 1.262,80 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen erhoben. Hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen hat er die Klage später zurückgenommen (Schriftsatz vom 25. Februar 2013). Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar keine schriftliche Vereinbarung nach § 17 SGB II mit dem Verein vorliege. Die Abrechnung erfolge aber seit Jahren auf Grundlage des Aktenvermerks vom 5. Mai 2009. Dieser beruhe auf einer Vereinbarung mit dem Verein. Die Beklagte ziehe sich auf Formalitäten zurück, was einer zeitnahen “unbürokratischen„ Erledigung von Kostenerstattungen entgegenstehe. Im Übrigen habe der Kläger die Aufgaben des kommunalen Trägers nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 SGB II nicht auf den Träger nach § 44b SGB II übertragen. In der “Gründungsbegleitenden Vereinbarung zur Bildung und Ausgestaltung einer gemein...