Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. häusliche Pflege durch Familienangehörige. Berücksichtigung von Transferzeiten zur Aufrechterhaltung der häuslichen Pflege
Leitsatz (amtlich)
1. Häusliche Pflege durch Familienangehörige kann an zwei verschiedenen Örtlichkeiten erfolgen.
2. Diese beiden Örtlichkeiten müssen nahe beieinander liegen und zumindest die Häuslichkeit von Familienangehörigen darstellen.
3. Der Zeitbedarf für Transfers zwischen den zwei Stellen, an denen die Pflege durch Familienangehörige stattfindet, ist bei der Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" zu berücksichtigen.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ab 01. März 1999 Pflegegeld gemäß § 37 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) entsprechend der Pflegestufe II anstatt der von der Beklagten zuerkannten Pflegestufe I zusteht.
Die ... 1954 geborene verheiratete Klägerin erlitt am 18. August 1994 einen Schlaganfall mit Halbseitenlähmung rechts und Aphasie. Mit am 30. Januar 1995 bei der Beklagten eingegangenem Antrag beantragte der Ehemann der Klägerin Leistungen bei Pflegebedürftigkeit in Form von Pflegegeld. Die Beklagte führte eine Prüfung der Vorversicherungszeit bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff. des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) durch. Die Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. ... vom von der Beklagten eingeschalteten Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ... in ... kam aufgrund einer Untersuchung in der häuslichen Umgebung, damals noch im ... in ..., am 01. Juni 1995 in ihrem Gutachten vom selben Tag zu dem Ergebnis, daß seit August 1994 Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe III vorliege. Damit verbunden war die Prognose, daß durch intensive Therapie eine Besserung zu erhoffen sei. Dr. ... stellte im Bereich der Körperpflege beim Waschen einen täglichen Hilfebedarf von 20, beim Duschen und Baden von 45, bei der Zahnpflege von 20, beim Kämmen von 15, insgesamt 90 Minuten fest, ferner im Bereich der Ernährung, bei der mundgerechten Zubereitung und der Nahrungsaufnahme von jeweils 30, insgesamt 60, und im Bereich der Mobilität beim Aufstehen/Zubettgehen von 20 und beim An- und Auskleiden von 30, insofern insgesamt 50 Minuten, darüber hinaus zeitlich nicht spezifiziert Hilfebedarf öfters täglich beim Stehen und Gehen. Als Pflegepersonen in der Wohnung der Klägerin waren angegeben
a) der erwerbstätige Ehemann ...,
b) die Mutter der Klägerin ... (nur bis Anfang 1999 in der Wohnung der Klägerin),
c) die Schwiegermutter der Klägerin ... und
d) der Schwiegervater ....
Die Beklagte bewilligte hierauf mit Bescheid vom 05. Juli 1995 Pflegegeld entsprechend der Pflegestufe III von monatlich DM 1.300,00. Zugleich bewilligte die Beklagte, handelnd als Krankenkasse, für die Zeit ab 30. Januar 1995 bis 31. März 1995 die Geldleistung wegen Schwerpflegebedürftigkeit gemäß § 57 SGB V (in Kraft bis 31. März 1995) von DM 400,00 monatlich.
Im Rahmen der empfohlenen Untersuchung nach drei Jahren kam Dr. ... vom MDK aufgrund einer Untersuchung der Klägerin in deren häuslicher Umgebung, nunmehr im ... (Zwei-Zimmerwohnung im vierten Obergeschoß) in ... am 29. Juli 1998 im Gutachten vom 20. August 1998 zu dem Ergebnis, daß seit Juli 1998 nur noch Pflegestufe I gegeben sei, da der durchschnittliche tägliche Hilfebedarf in den Bereichen der Körperhygiene (29 Minuten), Nahrungsaufnahme (21 Minuten) und Mobilität (32 Minuten), insgesamt 82 Minuten zuzüglich eines Zeitaufwands für die hauswirtschaftliche Versorgung von 48 Minuten betrage. Dr. ... ging davon aus, daß die Klägerin zweimal in der Wochen zur Krankengymnastik nach Wernau und einmal in der Woche zur Logopädie nach ... müsse. In häuslicher Umgebung erhalte die Klägerin einmal in der Woche Krankengymnastik und zweimal in der Woche Ergotherapie. Die aktuelle Betreuung tagsüber bei Abwesenheit des berufstätigen Ehemanns sei durch den 72 Jahre alten Schwiegervater und die Mutter in der Wohnung gewährleistet. Mit Bescheid vom 24. August 1998 stellte die Beklagte fest, daß ab 28. Juli 1998 nur noch Pflegestufe I vorliege, der ein monatliches Pflegegeld von DM 400,00 entspreche. Die bereits ausgezahlten Beträge für die Zeit vom 28. Juli bis 31. August 1998 würden mit den Zahlungen für die Monate September bis November 1998 verrechnet. Bei einer Zuvielzahlung von DM 1.020,01 ergebe sich für November eine reduzierte Zahlung von DM 220,01.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und legte für den Zeitraum von Samstag, den 05. bis Freitag, den 11. September 1998 ein Pflegetagebuch vor und verwies zur Begründung weiter darauf, daß es für den Erhalt des erreichten Standes der Selbständigkeit notwendig sei, anleitend, beaufsichtigend und unterstützend bei den täglichen Verrichtungen und der Nahrungsaufnahme zugegen zu sein. Öffentliche Verkehrsmittel könnten zum Erreichen der verschiedenen Therapieorte nicht benutzt werden, weshalb der Transport mit PK...