Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Außenwohngruppe. keine stationäre Pflegeeinrichtung bei Nichtvorliegen von wirtschaftlicher und organisatorischer Selbständigkeit
Orientierungssatz
Eine Außenwohngruppe bei der keine wirtschaftliche und organisatorische Selbständigkeit vorliegt, zählt nicht zu den stationären Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 SGB 11 und genießt deshalb nicht den Bestandsschutz nach § 73 Abs 4 SGB 11 iVm § 73 Abs 3 S 1 SGB 11.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für die Außenwohngruppe im Personalwohnheim in E.-R. Bestandsschutz im Sinne des § 73 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) hat.
Die Klägerin ist seit 1990 Pächterin und Betreiberin des Altenpflegeheims und Behindertenheimbetriebes R. Dort sind 75 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (Alten- und Krankenpfleger, Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten, Pflegekräfte, Küchen- und Hauswirtschaftspersonal, acht Auszubildende) beschäftigt. Von den 145 Heimplätzen sind 60 Plätze mit Personen der Pflegestufe 0 (Kostenträger im wesentlichen der Landeswohlfahrtsverband), 30 Plätze mit Privatzahlern, die den verbleibenden Rest nach Leistung der Pflegeversicherung selbst abdecken, sechs Plätze mit Personen ohne Abdeckung durch die Pflegeversicherung und 49 Plätze mit Personen, bei denen die Kosten von der Pflegeversicherung zum Teil und der Rest durch die Sozialhilfe abgedeckt wird, belegt. Zu dem Heimbetrieb gehört ein in etwa zwei km Entfernung vom Hauptkomplex gelegenes Personalwohnheim mit Außenwohngruppe, das 1986 im Dachgeschoß erweitert wurde. Die in der Außenwohngruppe untergebrachten Bewohner nehmen das Frühstück in der Außenwohngruppe unter Aufsicht einer Pflegefachkraft (mit dreijähriger Ausbildung) ein und werden dann vom Heimbus in das zwei km entfernte Zentralgebäude gebracht, wo sie gegebenenfalls an Beschäftigungstherapien teilnehmen. Falls sie dies nicht durchhalten, steht ihnen dort ein besonderer Ruheraum zur Verfügung. Ab 16.30 Uhr werden sie dann in die Außenwohngruppe zurückgebracht und bereiten dort unter Mithilfe und Aufsicht der Pflegefachkraft das Abendessen vor, wobei auch die medikamentöse Versorgung etc. vorbereitet und überwacht wird. Die Überwachung und Präsenz in der Nacht ist durch das Wohnen der Pflegefachkräfte im Personalbau und durch eine Telefonverbindung zur Bereitschaft gewährleistet.
Mit Verfügung vom 28. Dezember 1992 ließ das Landratsamt O. als Heimaufsichtsbehörde auf Antrag der Klägerin die Wohnung Nr. 1 im Erdgeschoß des Gebäudes L.str. 25 in E.-R. als Heimeinrichtung zu. Es wurden Abweichungen von der Heimmindestbauverordnung (z. B. bezüglich des unmittelbaren Zugangs, der Handläufe, der Nachtbeleuchtung, stufenloser Gebäudezugänge, Wohnflächengröße, Vorhandensein eines Absonderungs- und Leichenraumes) zugelassen. Ferner wurde die Zulassung daran gebunden, daß in der Außenwohngruppe keine Heimbewohner untergebracht werden dürfen, die die folgenden Erkrankungen, Auffälligkeiten, körperlichen oder geistigen Behinderungen aufweisen:
"a) - Desorientierung
- Systemdegenerative Erkrankungen
- Aktuelle Suchtproblematik
- Eigen- oder Fremdgefährdung
- Einweisung nach § 64 StGB
- Sexuelle Auffälligkeiten
- Pflegebedürftige, d.h. pflegebedürftige Personen, die infolge Krankheit oder Behinderung so hilflos sind, daß sie nicht ohne Pflege und Wartung bleiben können
- Schwerstpflegebedürftigkeit
- Verwahrlosungstendenzen
- Nicht selbst gehfähig sind
- Auf die Benutzung eines Rollstuhles angewiesen sind.
b) In dieser Wohngruppe dürfen nur Behinderte untergebracht werden, die in die Lage versetzt werden können, ein möglichst selbständiges Leben führen zu können. Bei ihnen muß es sich um den Personenkreis im Sinne von § 39 des Bundessozialhilfegesetzes handeln."
Nach dem der Gründung der Außenwohngruppe zugrunde liegenden Konzept, das mit dem Facharzt für Psychiatrie Dr. L. erarbeitet wurde, ist die Außenwohngruppe keine selbständige Einrichtung, sondern eine erweiterte Wohnform des Heimes, die den Bewohnern eine Lebensform mit höherem Selbständigkeitsgrad ermöglichen soll. Therapieziel ist die Ausweitung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit, der Selbstverantwortlichkeit, der Förderung der eigenen Entscheidungsfähigkeit und das teilweise Ausklinken des Heimbewohners aus der Dauerversorgung des Heimes mit der Möglichkeit der Eingliederung in Wohngruppen mit sozialpädagogischer Betreuung. Nach der Konzeption sollen in der Außenwohngruppe Personen untergebracht werden, die geistig, seelisch und körperlich in der Lage sind, alleine dort zu wohnen und deren Zustand eine gewisse Selbständigkeit erwarten läßt. Bewohner, die körperlich pflegebedürftig oder akut psychisch krank sind, sollten dort nicht unterbracht werden. Die Außenwohngruppe umfaßt bis zu sieben Heimbewohner. Auf den Antrag der Klägerin vom 26. September 1995 hin trafen die beklagten Landesverbände der Pflege...