Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsrecht. ehemalige DDR. Arbeitsunfall. Fiktion. Ausschlussregelung. Anerkennungsverfahren nach dem FRG vor dem 31.12.1991. Vertriebener. Antragsrücknahme. unwirksamer Verzicht. Rechtsmissbrauch. Anerkennung des Versicherungsfalles
Orientierungssatz
1. Da nach der Gesetzesbegründung § 1150 Abs 2 S 2 RVO auch die Fälle erfasst, in denen ein Anerkennungsverfahren nach dem FRG noch läuft und die - mit Wirkung für die Zeit vor dem 1.1.1992 - im Jahr 1992 oder später beschieden werden, ist für das Tatbestandsmerkmal "nach dem FRG anerkannt worden sind" in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung, sondern darauf abzustellen ist, ob ein Antragsverfahren nach FRG entweder durch Antragstellung oder auf anderem Wege spätestens zum 31.12.1991 aufgenommen worden ist.
2. Einer Rücknahme der vor dem 31.12.1991 gestellten und wirksam gewordenen Anträge eines anerkannten Vertriebenen auf Weiterzahlung der in der DDR erhaltenen Unfallrente nach dem FRG steht § 46 Abs 2 SGB 1 dann entgegen, wenn mit dieser die Nichtanwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 1150 Abs 2 S 2 RVO bezweckt werden soll und dadurch wegen des Anspruchs nunmehr nach § 1150 Abs 2 S 1 ein anderer Leistungsträger über den Verteilerschlüssel des §§ 1159 RVO belastet würde. Darüber hinaus ist der Verzicht auch deshalb rechtsmißbräuchlich, weil durch ihn der Anspruch aus § 1150 Abs 2 S 1 RVO begründet werden soll.
3. Das Tatbestandsmerkmal "nach dem FRG anerkannt worden ist" ist bereits dann erfüllt, wenn nach dem FRG der Versicherungsfall - nicht auch der Leistungsfall - unter Zugrundelegen des Prinzips der gesellschaftlichen Eingliederung zu bejahen ist (vgl BSG vom 21.01.1997 - 2 BU 267/96 = HVBG-INFO 1997, 974).
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die (Weiter-)Gewährung von Verletztenrente aufgrund von im Beitrittsgebiet anerkannten Arbeitsunfällen streitig.
Der ... 1949 geborene Kläger ist gelernter Facharbeiter für Straßenbautechnik und Berufskraftfahrer. Er siedelte am 15. November 1989 von der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) über. Er ist Inhaber des Vertriebenenausweises A.
Bei einer persönlichen Vorsprache am 5. März 1992 beantragte er bei der Beklagten Ziff. 1 und mit Schreiben vom 1. September 1992 bei der Beklagten Ziff. 2 hinsichtlich des Arbeitsunfalles vom Oktober 1984 die Weiterzahlung seiner in der DDR erhaltenen Unfallrente.
Im Rahmen der daraufhin eingeleiteten Ermittlungen zog die Beklagte Ziff. 1 von der LVA Sachsen die Unfallakte des Klägers bei. Daraus ergibt sich, daß der Kläger am 5. November 1982 und am 8. Oktober 1984 Arbeitsunfälle erlitten hat, bei denen er sich 1982 Schnittverletzungen am I. und III. Finger rechts mit knöcherner Absprengung am I. Finger rechts und 1984 eine Fraktur des os capitatum links zuzog. Für beide Unfälle erhielt er vom FDGB-Kreisvorstand H-E (H.-E.) Unfallrente nach einem Gesamtkörperschaden von 20 v.H. (Bescheid vom 2. Juli 1987). Aus den beigezogenen Unterlagen ist ferner ersichtlich, daß der Kläger mit Schreiben vom 27. Dezember 1991, das beim FDGB-Kreisvorstand -- Verwaltung der Sozialversicherung -- H.-E. am 24. Januar 1992 einging, unter Bezugnahme auf ein im November 1990 an die Stadtverwaltung O gerichtetes Schreiben nochmals die Weiterzahlung seiner Unfallrente beantragte.
Die Beklagte Ziff. 1 ließ den Kläger hinsichtlich des Arbeitsunfalles vom 5. November 1982 von Dr. F/Arzt für Chirurgie begutachten. Dieser stellte als wesentliche Unfallfolgen Narben an der Streckseite des rechten Mittelfingers und an der Streckseite zwischen dem rechten Zeigefinger und Daumen fest und bewertete die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab 15. November 1989 mit 0 v.H. (Erstes Rentengutachten vom 14. September 1992).
Mit Bescheid vom 25. September 1992 lehnte die Beklagte Ziff. 1 die Gewährung von Verletztenrente ab, weil aufgrund der Unfallfolgen eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht bestehe. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 1993).
Im Klageverfahren S 3 U 1546/93 vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG), das mit Beschluß vom 17. Juni 1994 ausgesetzt wurde, hat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. Sch/Orthopäde das Gutachten vom 16. Mai 1994 erstellt, in dem er im Ergebnis die MdE wegen der Folgen des Arbeitsunfalles von 1982 mit 10 v.H. einschätzte.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 3. Juli 1995 dieses Verfahren wieder angerufen, das unter der Geschäftsnummer S 3 U 1929/95 fortgeführt wurde, und nunmehr geltend gemacht, das Fremdrentengesetz (FRG) finde in seinem Fall keine Anwendung, vielmehr richte sich sein Anspruch nach § 1154 Abs. 1 und 4 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Mit Urteil vom 19. Juni 1996 hat das SG die Klage abgewiesen; auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 24. Juni 1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Juli 1996 Berufung eingelegt (L 2 U...