Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Gefahrtarif 1995. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Rechtmäßigkeit. Veranlagung. Fachhochschule für Sozialwesen. sachwidrige Zuordnung in Tarifstelle 17

 

Orientierungssatz

1. Zur Rechtswidrigkeit des Gefahrtarifes 1995 der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege und der auf dieser Grundlage durchgeführten Veranlagung sowie Beitragserhebung bei einer Privaten Fachhochschule (hier: nicht sachgerechte Zuordnung der Fachhochschule in Tarifstelle 17).

2. Den Berufsgenossenschaften ist bei Bildung des ersten Gefahrtarifes nicht stets ein Beobachtungs- und Überlegungszeitraum einzuräumen. Liegen die Kriterien für eine sachgerechte Zuordnung auf der Hand, sind die Berufsgenossenschaften vielmehr gehalten, ihren Gefahrtarif nach eben diesen Kriterien aufzustellen.

3. Die Vorgabe, dass nur durch Berechnung der Belastungsziffer für jeden Gewerbezweig bzw. für jede Gewerbezweiggruppe eine am Gefährdungsrisiko ausgerichtete Bildung der Tarifstellen erfolgen kann, zeigt, dass dem Unfallversicherungsträger bei der Bildung von Gefahrgemeinschaften enge Grenzen gesetzt sind und der Entscheidungsspielraum der Organe gering ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.07.2005; Aktenzeichen B 2 U 32/03 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. September 1999 wird zurückgewiesen. Die Bescheide vom 26. April 2000 und 25. April 2001 werden aufgehoben.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Veranlagungsbescheides vom 28.06.1996 sowie der auf dieser Grundlage erlassenen Beitragsbescheide für die Jahre 1996 bis 2000 und damit mittelbar über die Höhe der von der Klägerin zu entrichtenden Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ab dem Zeitraum 01.01.1996.

Die Klägerin, die seit 01.01.1972 Mitglied bei der Beklagten ist, gehört zu den 17 im Bundesgebiet existierenden privaten Fachhochschulen für Sozialwesen. Mit dem zum 01.01.1996 in Kraft getretenen Gefahrtarif stellte die Beklagte von dem bisherigen System der Kopfbeiträge auf das System eines nach Gewerbezweigen orientierten Gefahrtarifs um. Dieser von der Vertreterversammlung der Beklagten am 21.06.1995 beschlossene und vom Bundesversicherungsamt am 06.07.1995 gemäß § 732 Reichsversicherungsordnung (RVO) genehmigte Gefahrtarif sieht 17 Gefahrtarifstellen vor. Mit Veranlagungsbescheid vom 28.06.1996 wurde die Klägerin in die Gefahrtarifstelle 17 mit der Gefahrklasse 7,1 eingestuft. Die Tarifstelle 17 ist wie folgt definiert:

Einrichtungen zur Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft für Behinderte, Suchtkranke sowie für Personen in besonderen sozialen Situationen (z.B. Berufsförderungs-, Berufsbildungswerke, Werkstätten für Behinderte, Lehrgänge zur Förderung ausländischer Jugendlicher);

Aus- und Fortbildungsstätten für soziale Berufe und Hauswirtschaft.

Nach dem von der Beklagten hierzu erstellten Strukturschlüsselverzeichnis setzt sich die Gefahrtarifstelle im Einzelnen aus folgenden Gewerbezweigen (auch Strukturschlüssel genannt) zusammen:

Strukturschlüsse

Strukturschlüsselbezeichnung

l

0750

Ausbildungsstätten für soziale Berufe, z.B.

Fachhochschulen für Sozialwesen, Fachschulen für

Sozialpädagogik, Heilpädagogik,

Heilerziehungspflege, Kindergärtnerinnen, Schulen

für Beschäftigungs- und Arbeitstherapie;

0760

Ausbildungsstätten für Hauswirtschaft, z.B.

Fachschulen für Diätassistentinnen,

Hauswirtschafter, Dorfhelfer(innen)schulen, Schulen

für Haus- und Familienpfleger;

0790

Berufsförderungswerke;

0800

Berufsbildungswerke;

0830

Werkstätten für Gefährdetenhilfe, z.B.

Arbeitslosenprojekte, Projekte der Suchthilfe,

Werkstätten für Nichtsesshafte, Werkstätten im

Bereich soziale Hilfen;

0840

Werkstätten für Behinderte.

Diese Zusammenlegung der einzelnen Gewerbezweige zu einer Tarifstelle erfolgte u.a. (neben der Berücksichtigung des Technologieprinzips sowie sonstiger Zusammenhänge zwischen den Gewerbezweigen) auf der Basis der für die einzelnen Strukturschlüssel errechneten Belastungsziffern im Beobachtungszeitraum 1990 bis 1994, wobei lediglich die in diesem Zeitraum sich ereigneten Versicherungsfälle berücksichtigt wurden (sog. Neulasttarif). Die Belastungsziffern der Gefahrtarifstelle 17 stellten sich im Beobachtungszeitraum 1990 bis 1994 für die einzelnen Strukturschlüssel wie folgt dar:

Struktur Anzahl

Entgelte 1990

Entschädigungen

Belastungsziffer

schlüssel Betriebe im

- 1994

1990 bis 1994

Formel:

letzten

Entschädigung x

Beobachtungs-

100 Entgelte

Zeitraum

0750 223

696.557.049

2.564.690,54

3,68195

0760 115

282.848.865

863.840,90

3,05407

0790 46

1.218.642.434

3.699.245,46

3,03555

0800 78

1.424.568.292

4.180.442,95

2,93453

0830 545

1.291.444.558

4.315.483,73

3,34159

0840 1.426

10.295.003.320

38.467.198,07

3,73649

Hieraus errechnete sich insgesamt für die Gefahrta...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge