Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Gefahrtarif 1995. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Rechtmäßigkeit. Veranlagung. Fachhochschule für Sozialwesen. sachwidrige Zuordnung in Tarifstelle 17
Orientierungssatz
1. Zur Rechtswidrigkeit des Gefahrtarifes 1995 der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege und der auf dieser Grundlage durchgeführten Veranlagung sowie Beitragserhebung bei einer Privaten Fachhochschule (hier: nicht sachgerechte Zuordnung der Fachhochschule in Tarifstelle 17).
2. Den Berufsgenossenschaften ist bei Bildung des ersten Gefahrtarifes nicht stets ein Beobachtungs- und Überlegungszeitraum einzuräumen. Liegen die Kriterien für eine sachgerechte Zuordnung auf der Hand, sind die Berufsgenossenschaften vielmehr gehalten, ihren Gefahrtarif nach eben diesen Kriterien aufzustellen.
3. Die Vorgabe, dass nur durch Berechnung der Belastungsziffer für jeden Gewerbezweig bzw. für jede Gewerbezweiggruppe eine am Gefährdungsrisiko ausgerichtete Bildung der Tarifstellen erfolgen kann, zeigt, dass dem Unfallversicherungsträger bei der Bildung von Gefahrgemeinschaften enge Grenzen gesetzt sind und der Entscheidungsspielraum der Organe gering ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. September 1999 wird zurückgewiesen. Die Bescheide vom 26. April 2000 und 25. April 2001 werden aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Veranlagungsbescheides vom 28.06.1996 sowie der auf dieser Grundlage erlassenen Beitragsbescheide für die Jahre 1996 bis 2000 und damit mittelbar über die Höhe der von der Klägerin zu entrichtenden Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ab dem Zeitraum 01.01.1996.
Die Klägerin, die seit 01.01.1972 Mitglied bei der Beklagten ist, gehört zu den 17 im Bundesgebiet existierenden privaten Fachhochschulen für Sozialwesen. Mit dem zum 01.01.1996 in Kraft getretenen Gefahrtarif stellte die Beklagte von dem bisherigen System der Kopfbeiträge auf das System eines nach Gewerbezweigen orientierten Gefahrtarifs um. Dieser von der Vertreterversammlung der Beklagten am 21.06.1995 beschlossene und vom Bundesversicherungsamt am 06.07.1995 gemäß § 732 Reichsversicherungsordnung (RVO) genehmigte Gefahrtarif sieht 17 Gefahrtarifstellen vor. Mit Veranlagungsbescheid vom 28.06.1996 wurde die Klägerin in die Gefahrtarifstelle 17 mit der Gefahrklasse 7,1 eingestuft. Die Tarifstelle 17 ist wie folgt definiert:
Einrichtungen zur Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft für Behinderte, Suchtkranke sowie für Personen in besonderen sozialen Situationen (z.B. Berufsförderungs-, Berufsbildungswerke, Werkstätten für Behinderte, Lehrgänge zur Förderung ausländischer Jugendlicher);
Aus- und Fortbildungsstätten für soziale Berufe und Hauswirtschaft.
Nach dem von der Beklagten hierzu erstellten Strukturschlüsselverzeichnis setzt sich die Gefahrtarifstelle im Einzelnen aus folgenden Gewerbezweigen (auch Strukturschlüssel genannt) zusammen:
|
Strukturschlüsse |
Strukturschlüsselbezeichnung |
l |
|
0750 |
Ausbildungsstätten für soziale Berufe, z.B. |
|
Fachhochschulen für Sozialwesen, Fachschulen für |
|
Sozialpädagogik, Heilpädagogik, |
|
Heilerziehungspflege, Kindergärtnerinnen, Schulen |
|
für Beschäftigungs- und Arbeitstherapie; |
0760 |
Ausbildungsstätten für Hauswirtschaft, z.B. |
|
Fachschulen für Diätassistentinnen, |
|
Hauswirtschafter, Dorfhelfer(innen)schulen, Schulen |
|
für Haus- und Familienpfleger; |
0790 |
Berufsförderungswerke; |
0800 |
Berufsbildungswerke; |
0830 |
Werkstätten für Gefährdetenhilfe, z.B. |
|
Arbeitslosenprojekte, Projekte der Suchthilfe, |
|
Werkstätten für Nichtsesshafte, Werkstätten im |
|
Bereich soziale Hilfen; |
0840 |
Werkstätten für Behinderte. |
Diese Zusammenlegung der einzelnen Gewerbezweige zu einer Tarifstelle erfolgte u.a. (neben der Berücksichtigung des Technologieprinzips sowie sonstiger Zusammenhänge zwischen den Gewerbezweigen) auf der Basis der für die einzelnen Strukturschlüssel errechneten Belastungsziffern im Beobachtungszeitraum 1990 bis 1994, wobei lediglich die in diesem Zeitraum sich ereigneten Versicherungsfälle berücksichtigt wurden (sog. Neulasttarif). Die Belastungsziffern der Gefahrtarifstelle 17 stellten sich im Beobachtungszeitraum 1990 bis 1994 für die einzelnen Strukturschlüssel wie folgt dar:
|
Struktur Anzahl |
Entgelte 1990 |
Entschädigungen |
Belastungsziffer |
schlüssel Betriebe im |
- 1994 |
1990 bis 1994 |
Formel: |
letzten |
|
|
Entschädigung x |
Beobachtungs- |
|
|
100 Entgelte |
Zeitraum |
|
|
|
0750 223 |
696.557.049 |
2.564.690,54 |
3,68195 |
0760 115 |
282.848.865 |
863.840,90 |
3,05407 |
0790 46 |
1.218.642.434 |
3.699.245,46 |
3,03555 |
0800 78 |
1.424.568.292 |
4.180.442,95 |
2,93453 |
0830 545 |
1.291.444.558 |
4.315.483,73 |
3,34159 |
0840 1.426 |
10.295.003.320 |
38.467.198,07 |
3,73649 |
Hieraus errechnete sich insgesamt für die Gefahrta...