Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. außergewöhnliche Gehbehinderung. Nachteilsausgleich aG. fehlende gesetzliche Ermächtigung in den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen"
Leitsatz (amtlich)
Zur fehlenden gesetzlichen Ermächtigung für den Nachteilsausgleich "aG" in den VG (Anschluss an L 8 SB 1691/08).
Orientierungssatz
Zur fehlenden gesetzlichen Ermächtigung für den Nachteilsausgleich "aG" in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (juris: VersMedV) (Anschluss an LSG Stuttgart vom 14.8.2009 - L 8 SB 1691/08 = Breith 2010, 169).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts St. vom 3. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs “außergewöhnliche Gehbehinderung„ (aG).
Das Landratsamt Rems-Murr-Kreis hatte unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. H. mit Abhilfebescheid vom 29.06.2005 den Grad der Behinderung (GdB) der am 20.07.1941 geborenen Klägerin mit 60 seit 14.10.2004 und die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich “erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr„ (G) festgestellt.
Ihr auf Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG gerichteter Änderungsantrag vom 27.02.2006 wurde mit Bescheid vom 20.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2007 abgelehnt; die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos (Rücknahme S 13 SB 1470/07).
Die Klägerin beantragte am 14.09.2007 unter Vorlage diverser ärztlicher Unterlagen die Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG. Sie führte unter anderem zur Begründung aus, Bewegung und vor allem Treppensteigen seien ihr nur mit großer Anstrengung möglich. Es sei ihr kaum möglich, länger als 200 Meter zu gehen. In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.11.2007 berücksichtigte Dr. F. als Behinderungen eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk, einen Knieinnenschaden beidseits, eine rezidivierende Arthritis synovitis und eine Gebrauchseinschränkung des linken Fußes (Teil-GdB 50), eine Depression, funktionelle Organbeschwerden und ein Restless-leg-Syndrom (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden, eine Wirbelsäulenverformung und eine Funktionsbehinderung des Schultergelenks (Teil-GdB 30), einen Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen (Teil-GdB 10), eine Allergie (Teil-GdB 10), Krampfadern (Teil-GdB 10) sowie eine Harninkontinenz (Teil-GdB 10), bewertete den Gesamt-GdB mit 70 und führte aus, eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege nicht vor. Mit Bescheid vom 13.11.2007 änderte das Landratsamt den Bescheid vom 29.06.2005 ab, stellte den GdB der Klägerin mit 70 seit 14.09.2007 fest und lehnte eine Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 10.12.2007 unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen Widerspruch ein. Sie wies darauf hin, wegen ihrer Schulterverletzung könne sie keine Gehhilfen benutzen. Dr. H. führte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.12.2007 aus, die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG seien den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Die Einschränkung der Gehfähigkeit entspreche nicht der eines Doppeloberschenkelamputierten. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2008 wies das Regierungspräsidium St. den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin sei aufgrund ihrer Erkrankungen nicht aufs Schwerste in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt.
Hiergegen erhob die Klägerin am 28.01.2008 Klage beim Sozialgericht St.. Sie legte unter anderem den Entlassungsbericht des Dr. T., Chefarzt an der AOK-Klinik Sch. in Bad L., vom 10.03.2008 über die Rehabilitationsmaßnahme vom 31.01.2008 bis zum 26.02.2008 (Zustand nach Implantation nach einer zementierten Oberflächenersatzprothese des Kniegelenks rechts, Prellung der linken Gesäßhälfte; die Klägerin sei am Rollator bei erlaubter Vollbelastung des rechten Beines mobilisiert, ihr Gangbild sei sicher und sie sei soweit rehabilitiert, dass sie sich selbstständig aus- und ankleiden, waschen sowie fortbewegen könne, sie bewege sich an zwei Unterarmgehstützen fort) vor und führte aus, auf Grund ihrer massiven Einschränkung der Gehfähigkeit sei sie nicht mehr in der Lage, sich außerhalb ihres Kraftfahrzeuges ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung zu bewegen.
Dr. B. führte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.09.2008 aus, eine Beeinträchtigung des Gehvermögens, die die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG begründe, könne nach dem vorgelegten Entlassungsbericht des Dr. T. keinesfalls als nachgewiesen angesehen werden.
Das Sozialgericht zog den Arztbrief des Dr. R., Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Klinikums St., vom 31.01.2008 über die stationären Behandlungen vom 09.01.2008 bis zum 11.01.2008 und vo...