Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Abgrenzung der Einkommens- von der Vermögensberücksichtigung. Arbeitsentgeltnachzahlung. einmalige Einnahme. Aufteilung auf angemessenen Zeitraum. Kalendermonate. mehrmalige bzw monatliche Absetzung der Freibeträge
Leitsatz (amtlich)
1. Einkommen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die den Vermögensstand dessen vermehren, der diese Einnahmen hat. Vermögen ist ein Bestand von Sachen und Rechten in Geld oder Geldeswert. Für die aufgrund wertender Betrachtung zu treffende Unterscheidung ist darauf abzustellen, ob eine Forderung aus bewusst angesparten vormaligen Einnahmen stammt - dann ist der Zufluss als Vermögen zu behandeln - oder ob der Grund der Forderung zunächst nicht realisierte Einnahmen waren - dann stellt der Zufluss Einkommen dar.
2. Nachzahlungen von Arbeitsentgelt sind Einkommen, das in Anwendung des § 2 Abs 3 S 3 AlgIIV auf einen angemessenen Zeitraum monatsweise zu verteilen ist.
3. Nach Sinn und Zweck der Freibetragsregelungen des § 11 Abs 2 S 2 (Grundfreibetrag) und Abs 2 S 1 Nr 6 SGB 2 (Erwerbstätigenfreibetrag) sind diese Freibeträge für die Monate zu berücksichtigen, in denen das Entgelt erworben wurde. Eine nur einmalige Anwendung liefe der Anreizfunktion der genannten Freibeträge zuwider.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. September 2006 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen geändert.
Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 9. Februar und 6. April 2006, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Mai 2006 verurteilt, an den Kläger 840,00 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob die aus einem früheren Arbeitsverhältnis des Klägers geleistete Nachzahlung von Arbeitsentgelt auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) anzurechnen ist.
Der am ... 1977 geborene alleinstehende Kläger bezog nach längeren Zeiten der Arbeitslosigkeit ab 1. August 2005 vom Job-Center für Arbeitsmarktintegration (JA) Worms Arbeitslosengeld II (Alg II). Ab 1. September 2005 war er als Bestatter beim Bestattungsinstitut K. in W. (i.F. B.K.) zu einem monatlichen Bruttolohn von 1.670,00 Euro beschäftigt; eine Auszahlung des Nettoentgelts erfolgte allerdings zunächst nicht, weil die Arbeitgeberin die Aufrechnung mit Ansprüchen aus abgetretenem Recht erklärt hatte. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis am 28. November 2005 mit Wirkung vom 30. November 2005. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht Mainz (3 Ca 3097/05) einigten sich die Parteien im Gütetermin vom 17. Januar 2006 im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 2005 sowie darauf, dass B.K. sich verpflichtete, an den Kläger noch 1.670,00 Euro brutto für den Monat Dezember 2005 und von jeweils 1.114,81 Euro netto für die Monate September, Oktober und November 2005 zu zahlen. Aus der Gehaltsnachzahlung erhielt der Kläger am 28. Februar 2006 einen Scheck über 1.911,64 Euro, während der weitere Betrag von 2.547,60 Euro von B.K. unmittelbar an das JA Worms im Rahmen eines von dort geltend gemachten Ausgleichsanspruchs nach § 115 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) überwiesen wurde.
Zum 1. Januar 2006 hatte der Kläger seine jetzige Wohnung in M. (42 m², Kaltmiete 265,00 Euro zuzüglich 20,00 Euro für Tiefgaragenstellplatz und 15,00 Euro für die Einbauküche, Gesamtmiete incl. Nebenkosten 399,00 Euro) bezogen. Vom 16. Januar bis 9. Februar 2006 war er bei einem M. Bestattungsinstitut als Aushilfskraft beschäftigt, wobei sich der Aushilfslohn für den Monat Januar 2007 auf 174,00 Euro und für Februar 2006 auf 48,00 Euro belief. Bereits am 21. Dezember 2005 hatte der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung vom 1. Januar 2006 einen Antrag auf Alg II gestellt; bei der Antragstellung hatte er eine Erklärung unterzeichnet, dass er mit einer Übernahme der Kosten der Unterkunft lediglich in angemessener Höhe (Kaltmiete 207,00 Euro monatlich) einverstanden sei.
Durch Bescheid vom 9. Februar 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2006, und zwar in Höhe von 620,57 Euro für den Monat Januar sowie in Höhe von jeweils 439,77 Euro für die Monate Februar bis Juni 2006. Hierbei ging die Beklagte - bei einer Regelleistung von 345,00 Euro sowie als angemessen anerkannten Kosten der Unterkunft und Heizung von 334,77 Euro (207,00 Euro Kaltmiete zuzügl. 20,00 Euro Stellplatz, 15,00 Euro Einbauküche, 38,00 Euro Heizungskostenvorauszahlung, 61,00 Euro Betriebskostenvorauszahlung, abzügl. 6,23 Euro Warmwasser) davon aus, dass der Kläger ab Februar 2006 über ein monatliches Arbeitsentgelt als Aushilfskraft von 400,00 Euro verfüg...