Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegeunfall. innerer Zusammenhang. dritter Ort

 

Orientierungssatz

Ob eine Verlängerung noch in einem angemessenen Verhältnis zum üblichen Weg des Versicherten steht, richtet sich nicht nur nach dem Umfang dieser Verlängerung. Ausschlaggebend für die Beurteilung ist vielmehr, ob der nicht zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückgelegte Weg sich unter Berücksichtigung aller Umstände von dem üblichen Weg nach und von der Arbeitsstätte so erheblich unterscheidet, daß er nicht von dem Vorhaben des Versicherten geprägt ist, sich zur Arbeit zu begeben. Dies gilt vor allem für Wege mit ungewöhnlichen Entfernungen, insbesondere bei Erholungsfahrten in eine andere Ortschaft und von dort unmittelbar zurück zur Arbeitsstätte oder zur Fahrt vom Urlaub zur Aufnahme der Arbeit.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin aus Anlaß des Unfalls von Montag, dem 26.04.1993 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren hat.

Die 1932 geborene Klägerin war im Unfallzeitpunkt Inhaberin einer Textilhandelsfirma mit Geschäftssitz in L., wo sie unter der Geschäftsanschrift zugleich ihren zweiten Wohnsitz hatte. Sie war zu dieser Zeit Wochenendpendlerin zwischen L. und S., wo sie ihren Hauptwohnsitz hatte. Bei den Wochenendheimfahrten benutzte die Klägerin als Inhaberin einer Bahncard regelmäßig die Bahn. Ihre Tochter mit Familie lebt in W.. Am Freitag, dem 23.04.1993 löste sie u.a. in S.-Bad C. eine Fahrkarte von W.-Westbahnhof nach G. über P. und R. sowie eine Anschlußkarte über P. nach L.. Sie besuchte über das Wochenende ihre Tochter, die ihren Geburtstag feierte. Die Klägerin beabsichtigte, am 26.04.1993 um 10.00 Uhr von W./Westbahnhof mit Umsteigen in R. nach L. zu fahren, wo sie fahrplanmäßig um 19.29 Uhr eintreffen sollte. Die Bahnstrecke S. - L. ist 547 km lang, die Bahnstrecke W. - L. 779 km.

Am 26.04.1993 suchte die Klägerin gegen 10.00 Uhr das Allgemeine Krankenhaus der Stadt W./Universitätsklinik/Unfallchirurgie auf, wo ausweislich des Arztbriefes vom gleichen Tage eine Radiustrümmerfraktur links festgestellt und ein Gipsverband angelegt wurde. Die weitere Behandlung der Klägerin erfolgte stationär vom 25.06. bis 22.07.1993 hauptsächlich in der B.-Klinik/Fachklinik für Orthopädie in S.. Arbeitsunfähigkeit bestand bis einschließlich 19.11.1993.

Am 02.08.1993 erstattete die Klägerin bei der Beklagten eine Unfallanzeige, zu der sie angab, auf dem Weg zum Zug nach L. sei ihr schwarz vor Augen geworden und sie sei gestürzt, wobei sie sich den Unterarm gebrochen habe. Mit Schreiben vom 09.09.1993 verneinte daraufhin die Beklagte ihr gegenüber das Vorliegen eines Arbeitsunfalls mit der sinngemäßen Begründung, die Ursache des Sturzes sei nicht das Zurücklegen des Weges sondern eine (sogenannte) innere - in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht versicherte - Ursache. Daraufhin korrigierte sich die Klägerin mit Schreiben vom 04.10.1993 dahin, ihr sei offenbar (erst) durch die schmerzhaften Folgen des Sturzes schwarz vor den Augen geworden. Dies bezeuge sie an Eides statt. Die Beklagte befragte mehrfach die Klägerin, die hierzu u.a. den Arztbrief des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt W. vom 26.04.1993 vorlegte, in dem zum Unfallhergang über einen Sturz im Garten berichtet bzw. in der Anamnese die Angabe der Klägerin wiedergegeben wurde, sie sei im Garten gestürzt. Hierzu ließ die Klägerin unter dem 13.07.1994 noch vortragen, sie sei mit ihrer Tochter aus dem Haus gekommen und zusammen mit ihrem Schwiegersohn durch den Garten zum Auto gegangen. Der Unfall habe sich beim Verlassen des Hauses auf dem Weg durch den Garten zur Straße in der P. H. 4 ereignet. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.12.1994 die Gewährung einer Entschädigung aus Anlaß des Unfalls vom 26.04.1993 mit der Begründung ab, es habe sich nicht um einen sogenannten Wegeunfall gehandelt, weil eine Arbeitsaufnahme am Unfalltag nicht mehr erfolgt wäre. Außerdem sei nach den Erstangaben der Sturz auf eine sogenannte innere Ursache zurückzuführen.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug die Klägerin u. a. vor, sie sei gestürzt und anschließend sei ihr schwarz vor Augen geworden. Wenn sie zuerst angegeben habe, ihr sei schwarz vor Augen geworden und sie sei anschließend gestürzt, so sei dies allenfalls auf einen “unsorgfältig" wiedergegebenen Sachverhalt zurückzuführen. Die Ursache für den Sturz lasse sich sehr wahrscheinlich im nachhinein nicht mehr klären. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.1996 den Widerspruch zurück. Der Unfall habe sich auf einem aus eigenwirtschaftlichen Gründen angetretenen, nicht versicherten Rückweg von einer privaten, mehrtägigen Besuchsfahrt ereignet. Außerdem hielt die Beklagte an ihrer Argumentation fest, der Unfall sei nach den Erstangaben der Klägerin auf eine sogenannte innere Ursache zurückzuführen.

Gegen den am 08.10.1996 als Einschreiben aufgegebenen Bescheid erhob die Klägerin am 11.11.1996 Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart ...

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