Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit. Arbeitsaufgabe. Wechsel in befristetes Beschäftigungsverhältnis. wichtiger Grund. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage einer Sperrzeit wegen Aufgabe eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses und Aufnahme eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses.
Orientierungssatz
1. Kann im Hinblick auf die jeweiligen ungelernten Tätigkeiten weder ein Wechsel in ein anderes Berufsfeld, noch eine bessere Bezahlung und auch keine Erweiterung der beruflichen Einsatzmöglichkeiten festgestellt werden, so fehlt es an einem wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe iS von § 144 Abs 1 SGB 3. Die nicht auf veränderten - persönlichen oder betrieblichen - Verhältnissen beruhende fehlende Bereitschaft, einer arbeitsvertraglich wirksam übernommenen Verpflichtung (hier zur Wechselschicht) nachzukommen, ist kein wichtiger Grund.
2. Selbst wenn das befristete Beschäftigungsverhältnis als attraktiv iS der Rechtsprechung des BSG zu werten wäre, scheitert die Annahme eines wichtigen Grundes, wenn das befristete Beschäftigungsverhältnis lediglich für die ganz kurze Zeit von sechs Wochen begründet wurde und es völlig offen war, ob sich hieran weitere, lediglich auf ein Quartal befristete Beschäftigungsverhältnisse anschließen würden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. April 2003 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird geführt über den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.
Die 1981 geborene Klägerin war seit 2. Oktober 2000 unbefristet als Wäschereiarbeiterin bei einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von etwas über DM 2500 beschäftigt. Sie kündigte dieses Arbeitsverhältnis am 29. Januar 2001 zum 10. Februar 2001, weil sie ab 12. Februar 2001 in eine besser bezahlte (Monatsdurchschnitt etwas über DM 3200) unbefristete Beschäftigung als Hilfskraft bei T. + H. GmbH Elektrowärme eintreten konnte. Der Arbeitsvertrag vom 29. Januar 2001 enthielt die Vereinbarung einer Probezeit von sechs Monaten sowie den Vorbehalt, Wechselschicht anzuordnen. Von diesem Recht wollte der Arbeitgeber dahingehend Gebrauch machen, dass die Klägerin vom 21. Mai bis 13. Juli 2001 Spätschicht von 13.30 Uhr bis 22.00 Uhr leisten sollte. Darauf kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Mai 2001 zum 16. Mai 2001. Am selben Tag nahm sie eine Beschäftigung als Mitarbeiterin im Bereich Montage bei der M. GmbH in R.-W. auf. Im Arbeitsvertrag vom 10. Mai 2001 war eine “Aushilfsbeschäftigung„ genannt, die am 30. Juni 2001 enden werde, ohne dass es einer Kündigung bedürfe. Bekannt war, dass bei entsprechender Auftragslage eine Verlängerung jeweils zum Ende des folgenden Kalendervierteljahres in Aussicht stand. Auf dieser Grundlage kam es zu einer Verlängerung für zwei Kalendervierteljahre. Im November 2001 wurde die Klägerin jedoch unterrichtet, dass der Vertrag über den 31. Dezember 2001 hinaus nicht verlängert werde. Das durchschnittliche Monatsbrutto hatte etwas über DM 3100 betragen.
Am 2. Januar 2002 meldete sich die Klägerin beim damaligen Arbeitsamt R. arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Auf die Frage nach den Gründen zur Aufgabe der Beschäftigung bei T. + H. gab sie an, diese sei auf sechs Monate Probezeit befristet gewesen. Dies wurde (Telefongespräch vom 6. März 2002) seitens des Unternehmens dahingehend korrigiert, die Beschäftigung wäre unbefristet gewesen, lediglich sei eine übliche Probezeit vereinbart worden. Durch Bescheid vom 15. März 2002 lehnte das Arbeitsamt die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Dauer einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 1. Januar bis 25. März 2002 ab, da wegen der Aufgabe eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zugunsten eines befristeten die Arbeitslosigkeit grobfahrlässig herbeigeführt worden sei, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund oder eine besondere Härte erkennbar sei; der Anspruch auf Arbeitslosengeld mindere sich um 84 Tage. Die Klägerin, die seit 11. März 2002 eine neue Beschäftigung gefunden hatte, erklärte zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs, sie hätte bei T. + H. den ganzen Sommer über in Spätschicht arbeiten sollen, was ihr nicht zugesagt habe; deshalb habe sie das eine solche Erschwernis nicht enthaltende Angebot der M. GmbH angenommen. Es erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 26. März 2002. Die Fortführung der Arbeit bei T. + H. sei nicht derart unzumutbar gewesen, dass der Wechsel in das offenkundig zu jedem Vierteljahresende von Beendigung bedrohte Arbeitsverhältnis bei M. in Kenntnis der somit drohenden Arbeitslosigkeit gerechtfertigt gewesen wäre.
Die am 8. April 2002 beim Arbeitsamt sinngemäß erhobene Klage ist an das Sozialgericht Reutlingen abgegeben worden. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, sie habe keine Sicherheit gehabt, bei T. + H. nach der Probezeit weiterbeschäftigt zu werden....