Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenkasse. Herausgabe von Krankenhausunterlagen an MDK zur Einsichtnahme. Verjährungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Eine Krankenkasse hat kein Recht zur Einsichtnahme in die Patientenunterlagen. Sie ist jedoch im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft befugt, vom Leistungserbringer die Herausgabe und Einsichtnahme von Krankenhausunterlagen an den MDK zu verlangen.
Orientierungssatz
Auch nach der Neuregelung der Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern zum 1.1.2000 verbleibt es für den in § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB 5 enthaltenen Anspruch auf Übermittlung von Sozialdaten an den MDK bei der allgemeinen sozialrechtlichen 4-jährigen Verjährungsfrist des § 45 SGB 1 (vgl ua BSG vom 12.5.2005 - B 3 KR 32/04 R = SozR 4-2500 § 69 Nr 1).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom
6. Juli 2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg die Krankenhausunterlagen über den stationären Aufenthalt der G. S. vom 19. Oktober 1999 bis 10. Juli 2000 herauszugeben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, die Klägerin die der ersten Instanz.
Streitwert: 5.000,- €.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe medizinischer Unterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg streitig.
Die 1930 geborene, bei der B. P. mit Sitz in S., Rechtsvorgängerin der Klägerin, krankenversicherte G. S. (S.) befand sich wegen des bei ihr bestehenden idiopathischen Parkinson-Syndroms vom Äquivalenztyp bei der Beklagten vom 19.10.1999 bis 10.07.2000 und vom 12.07. bis 08.08.2000 in vollstationärer Behandlung.
Nachdem die Klägerin nach Beiziehung von Berichten der Beklagten und Einschaltung des MDK zunächst eine Kostenübernahme über den 18.11.1999 hinaus ablehnte, forderte sie nach weiterem Schriftwechsel im November 2000 weitere Dokumente aus der Krankenakte zwecks nochmaliger Beurteilung an. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 16.11.2000 u. a. darauf hin, dass es alleine Aufgabe des MDK sei, die für seine Gutachtenerstellung erforderlichen Daten anzufordern. Es bedürfe der Konkretisierung der die Überprüfung rechtfertigenden Verdachtsmomente. Unabhängig vom Ausgang des Prüfungsverfahrens würde die Regulierung der beigefügten Rechnungen eingefordert.
Die Klägerin zahlte aufgrund der von der Beklagten übersandten “Vereinbarung über Modellvorhaben gemäß § 26 BPflV für den Pflegesatzzeitraum 2000 den ihr für die stationäre Behandlung der S. mit Rechnungen vom 16.11.2000 in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von insgesamt DM 188.054,28 unter Vorbehalt einer endgültigen Prüfung der medizinischen Notwendigkeit und Dauer des Krankenhausaufenthaltes sowie des Vorliegens eines Behandlungsfehlers. Es wurde gebeten, einen Entlassbericht vorzulegen. Die Beklagte teilte hierauf mit, dass dieses Dokument nur dem MDK zur Verfügung gestellt werde.
Mit Schreiben vom 12.02.2001 beauftragte die Klägerin den MDK in S. mit der Überprüfung der Frage eines Behandlungsfehlers und der medizinischen Notwendigkeit der Dauer des stationären Aufenthaltes bis 10.07.2000, wobei die Unterlagen direkt bei der Beklagten anzufordern seien. Der MDK bat wiederum zunächst die Beklagte, die Unterlagen zu besorgen, verneinte in einem sozialmedizinischen Gutachten vom Juni 2001 einen Behandlungsfehler und forderte mit Schreiben vom 27.09.2001 die Beklagte auf, ihm die komplette Klinikdokumentation einschließlich OP-Aufklärungsbogen in Kopie zur Verfügung zu stellen.
Nachdem Dr. L.-M. vom MDK der Klägerin am 24.10.2001 mitteilte, dass die angeforderten Krankenunterlagen trotz zweimaliger Anforderung nicht übersandt worden seien, wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 05.11.2001 mit der Bitte an die Beklagte, ihrer Verpflichtung aus dem Vertrag nach § 112 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) nachzukommen und die vom MDK angeforderten Unterlagen an diesen zu übersenden, andernfalls würde gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen. Trotz mehrfacher Telefongespräche ging die Klinikdokumentation dem MDK nicht zu, was dieser am 07.01.2002 der Klägerin mitteilte.
Am 04.02.2002 erhob die Klägerin mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, für den Krankenhausaufenthalt der Versicherten S. vom 19.10.1999 bis 10.07.2000 die Krankenunterlagen an den MDK zur Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Dauer der stationären Krankenhausbehandlung herauszugeben, Klage zum Sozialgericht W., welches sich mit Beschluss vom 03.03.2003 für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das Sozialgericht S. (SG) verwies. Zur Begründung trug die Klägerin im wesentlichen vor, ihre Aktivlegitimation ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz. Ihr stehe gegen die Beklagte ein Herausgabeanspruch aus §§ 275 Abs. 4, 276 SGB V und ein Recht zur Überprüfung durch den MDK zu. Sie mache kein Recht auf eigene Einsichtnahme und Begutachtung geltend und s...