Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. psychische Gesundheitsstörung. Nachweis im Vollbeweis. bewusste Aggravation. haftungsbegründende Kausalität. PTBS. Verschiebung der Wesensgrundlage. Raubüberfall
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer Anerkennung von psychischen Störungen als Unfallfolge in der gesetzlichen Unfallversicherung.
2. Eine Verschiebung der Wesensgrundlage ist insbesondere bei einer (vermeintlich) mehrere Jahre anhaltenden PTBS zu prüfen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalls streitig.
Die im Jahr 1966 geborene Klägerin war bei der A. Bäckerei, Filiale B., als Verkäuferin beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit wurde sie am 09.06.2012 Opfer eines Raubüberfalls. Gemäß Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 21.06.2012 öffnete die Klägerin um 6:10 Uhr morgens die Anlieferungstür, um einen Rollwagen nach draußen zu schieben. Der vor der Tür wartende Täter bedrohte sie mit einem Messer, forderte das in dem Tresor und der Kassenschublade befindliche Geld und floh mit der Beute.
Am 11.06.2012 suchte die Klägerin die Allgemeinmedizinerin Dr. C. in D. auf, welche eine Psychotherapie einleitete, Psychopharmaka verordnete und Arbeitsunfähigkeit seit dem 11.06.2012 bis auf Weiteres bescheinigte (Bericht vom 29.06.2012). Ebenfalls am 11.06.2012 stellte sich die Klägerin bei dem Diplom-Psychologen E. in D. vor. In seinem Bericht vom 18.07.2012 über die Betreuung/Erstversorgung am 11.06.2012 beschrieb er einen Schockzustand und diagnostizierte eine akute Belastungsreaktion (ICD-10 F43.0). Die Beklagte beauftragte den Diplom-Psychologen E. mit der Durchführung von bis zu sechs probatorischen Sitzungen. In seinem Abschlussbericht nach Ende der probatorischen Sitzungen vom 18.07.2012 diagnostizierte er eine Posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1, im Folgenden: PTBS) und beantragte die Durchführung einer Verhaltenstherapie, welche von der Beklagten genehmigt wurde. Außerdem wurde die Klägerin am 16.07.2012 von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F., D., untersucht, welche eine Anpassungsstörung diagnostizierte; es bestehe ein Verdacht auf (V. a.) eine PTBS.
Ab dem 23.07.2012 bezog die Klägerin Verletztengeld.
Die Klägerin befand sich weiterhin in regelmäßiger Behandlung bei dem Diplom-Psychologen E. (Berichte vom 21.08.2012, 26.09.2012, 16.11.2012, 11.02.2013, 17.05.2013) und Dr. F. (Berichte vom 23.08.2012, 28.02.2013, 18.04.2012).
Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin am 21.06.2013 von dem Diplom-Psychologen G., Psychotraumatologisches Zentrum für Diagnostik und Therapieplanung an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik H., untersucht. In seinem Psychologischen Bericht zur Heilverfahrenskontrolle vom 28.06.2013 führte er im Rahmen der Beurteilung u.a. aus, dass er sich der Diagnose einer PTBS grundsätzlich anschließen könne. Er empfahl schnellstmöglich die Durchführung eines gezielten Konfrontationstrainings. Eine Zusammenhangsbegutachtung sei erst dann erforderlich, wenn es zu einer erheblichen Stagnation im Heilverlauf kommen sollte.
Die von der Beklagten genehmigte prolongierte Expositionsbehandlung wurde bei dem Diplom-Psychologen E. durchgeführt.
Mit Bescheid vom 02.12.2013 stellte die Beklagte die Zahlung des Verletztengeldes mit Ablauf des 08.12.2013 ein.
Unter dem 07.01.2014 berichtete der Diplom-Psychologe E. u.a., dass sich im Rahmen des durchgeführten prolongierten Expositionstrainings von Oktober bis Dezember 2013 mit insgesamt 30 Stunden ein schwankender Verlauf gezeigt habe. Von einer ausreichenden Habituation könne nicht gesprochen werden. Es bestünden nach wie vor Gelenk- und Muskelschmerzen, ein Gefühl von Bedrohung, Intrusionen, Ein- und Durchschlafprobleme, Konzentrationsprobleme, eine innere Unruhe und Anspannung, eine Schreckhaftigkeit und eine Hypervigilanz. Das Training sollte fortgesetzt werden. Von einer nachhaltigen Habituation sei erst auszugehen, wenn es die Klägerin schaffe, mehr zur Ruhe zu kommen und ausreichend bzw. erholsam Schlaf zu finden. Es sei sicherlich sinnvoll und notwendig, dass die Klägerin zur Behebung ihrer Schlafstörungen stationär behandelt werde. Von einer nachhaltigen Stabilisierung des Gesundheitszustandes sei erst nach Verbesserung der Schlaf- und der damit verbundenen Erholungsfähigkeit auszugehen.
Am 21.01.2014 wurde die Klägerin auf Veranlassung der Beklagten erneut von dem Diplom-Psychologen G. untersucht. Dieser kam in seinem Gutachten vom 14.02.2014 im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass eine psychische Störung nicht (mehr) mit der notwendigen Sicherheit (Vollbeweis) gesichert werden könne. Nachweisbar bestehende Aggravationstendenzen würden eine genaue Erfassung der Diagnose und a...