Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdrentenrecht. Nachweis rumänischer Beschäftigungszeiten durch Arbeitsbescheinigungen. Adeverintas. Aufhebung der 5/6-Kürzung der Entgeltpunkte

 

Orientierungssatz

1. Nachgewiesen können Beschäftigungs- und Beitragszeiten dann sein, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, daß im Einzelfall eine höhere Beitrags- oder Beschäftigungsdichte erreicht worden ist. Diese Feststellung läßt sich dann treffen, wenn konkrete und glaubwürdige Angaben über dem Umfang der Beschäftigungszeiten und die dazwischen liegenden Arbeitsunterbrechungen vorliegen und letztere nicht 1/6 erreichen (vgl BSG vom 20.8.1974 - 4 RJ 241/73 = SozR 5050 § 19 Nr 1; vom 9.11.1982 - 11 RA 64/81 = SozR 5050 § 15 Nr 23).

2. Rumänische Arbeitsbescheinigungen (Adeverintas) auf der Grundlage von Lohnlisten können als Nachweis von in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten dienen, wenn die Angaben des Versicherten und die vorgelegten Unterlagen in sich schlüssig sind, wenn kein Verdacht besteht, daß es sich um Gefälligkeitsbescheinigungen oder gefälschte Bescheinigungen handelt, und wenn aus den Bescheinigungen die tatsächlichen Arbeitstage und die Fehlzeiten vollständig hervorgehen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die vom Kläger zwischen dem 11. Juni und 17. November 1957 sowie dem 10. Oktober 1960 und 12. Juni 1990 in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten nachgewiesen und damit ungekürzt zu berücksichtigen sind mit der Konsequenz, daß eine Neuberechnung der ihm seit 1. Januar 2000 gewährten Altersrente für Schwerbehinderte, Berufs- oder Erwerbsunfähige zu erfolgen hat.

Der am ... 1937 geborene Kläger, Inhaber der Vertriebenenausweises A, siedelte im Juli 1990 von Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland über. In Rumänien war er -- unterbrochen durch die Ableistung des Wehrdienstes -- vom 11. Juni bis 17. November 1957 sowie vom 10. Oktober 1960 bis 12. Juni 1990 beim Fernmeldeamt S., zunächst als Techniker und Mechaniker, später als Schichtleiter und zuletzt als Hauptmeister, versicherungspflichtig beschäftigt.

Der Kläger legte im Dezember 1994 einen von ihm ausgefüllten Fragebogen zur Herstellung von Versicherungsunterlagen nach dem Fremdrentengesetz (FRG) sowie einen Fragebogen für Anrechnungszeiten, sein Arbeitsbuch und die Arbeitsbescheinigungen (Adeverintas) Nrn. und der R. bzw. der D., beide S., vom 3. Juni 1991 sowie 6. Juni 1994 vor. In der Arbeitsbescheinigung vom 6. Juni 1994 heißt es u.a., der Kläger habe während der darin bescheinigten Zeiten keinen verlängerten Krankenurlaub (boala prelungite) gehabt. Die Arbeitswoche habe sechs Tage zu acht Stunden/pro Tag umfaßt. Im Fragebogen für Anrechnungszeiten verneinte der Kläger die Frage nach "Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit". Die Beklagte führte im Vormerkungsbescheid vom 15. April 1996 u.a. aus, die Zeiträume vom 11. Juni bis 17. November 1957 und 10. Oktober 1960 bis 12. Juni 1990 würden als glaubhaft gemachte Beitragszeiten anerkannt.

Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren legte der Kläger die Adeverinta Nr. ... der R., T. S., vom 11. September 1996 vor, in der es unter tabellarischer, nach Monaten und in Spalten (Kranken-/Entbindungsurlaub, unbezahlter Urlaub, sonstige Fehlzeiten) unterteilter Auflistung der Jahre 1957 und 1960 bis 1990 heißt, im Juni 1965 sei der Kläger 23 Tage arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Ansonsten sei es zu keinem Krankenurlaub, keinem unbezahlten Urlaub und keinen sonstigen unbezahlten Fehlzeiten gekommen. Die Sozialversicherungsbeiträge seien für den gesamten Beschäftigungszeitraum eingezahlt worden. Die Angaben habe man den Lohnlisten/Anwesenheitsübersichten entnommen, die für die Zeit von 1950 bis 1996 komplett im Archiv aufbewahrt würden.

Mit Bescheid vom 19. März 1997 ordnete die Beklagte die Zeit vom 12. Januar 1977 bis 31. Juli 1982 der Qualifikationsgruppe 3 (vorher: 4) zu. Im übrigen wurde der Widerspruch, gerichtet auf die ungekürzte Berücksichtigung der in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten, durch Widerspruchbescheid vom 21. Juli 1997 zurückgewiesen. Nach rumänischem Recht zählten zu den für die dortige Rentenversicherung maßgeblichen Arbeitszeiten nicht nur Zeiten, während denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung tatsächlich ausgeübt worden sei, sondern auch Zeiten zeitweiliger, gegebenenfalls über einen Monat hinausgehender Arbeitsunfähigkeit mit Krankengeldbezug sowie Zeiten, während denen ein Arbeiter zum Besuch einer Schule zwecks beruflicher oder politischer Fortbildung von der Arbeit freigestellt gewesen sei. Für einen Arbeitgeber habe folglich keine gesetzliche Verpflichtung bestanden, Zeiten der Arbeitsverhinderung vollständig und zeitnah zu dokumentieren. Darüber hinaus könne auch aus der während des Widerspruchsverfahrens vorgelegten Adeverinta kein Nachweis einer ununterbrochenen Beitragsentrichtung abgeleitet werden. Da Lohnlisten in Rumänien nicht namentlich, sondern monatlich geführt worden seien, erscheine es äußerst zweifelhaft, daß der ehemalige Arbeitgeber des Kläger...

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