Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungssuche. Verfügbarkeit. Arbeitsfähigkeit. Nichtteilnahme an einer Bildungsmaßnahme. Sicherstellung der Kinderbetreuung
Orientierungssatz
Ein Arbeitsloser, der nach eigener Mitteilung an einer Bildungsmaßnahme generell nur teilnehmen kann, soweit ihm zur Sicherstellung der Kinderbetreuung der Termin der Bildungsmaßnahme vom Arbeitsamt 2 bis 3 Wochen vorher mitgeteilt wird, ist nicht arbeitsfähig bzw verfügbar iS von § 119 SGB 3.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Rückforderung von Leistungen.
Der 1954 geborene Kläger war vom 01.10.1987 bis 31.01.2001 als Reiseleiter beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis endete aufgrund eigener Kündigung. Er meldete sich am 15.02.2001 beim Arbeitsamt (AA) Reutlingen arbeitslos und beantragte Alg. Das AA lehnte den Antrag für zwölf Wochen wegen Eintritts einer Sperrzeit ab, verfügte eine Anspruchsminderung um 135 Tage und bewilligte mit Bescheid vom 04.04.2001 Alg ab 26.04.2001 in Höhe von 261,10 DM wöchentlich für eine Anspruchsdauer von 405 Tagen. Mit Bescheid vom 02.01.2002 passte es die Leistung an die neue Leistungsverordnung an (Zahlbetrag nunmehr 133,70 € wöchentlich) und dynamisierte sie mit Bescheid vom 25.02.2002 (Zahlbetrag nunmehr 134,61 € wöchentlich).
Das AA forderte ihn unter Rechtsfolgenbelehrung (Eintritt einer Sperrzeit von drei Wochen Dauer) auf, an einem Teamtraining vom 26.02.2002 bis 28.02.2002 teilzunehmen. Er lehnte die Teilnahme ab. Er teilte hierzu am 22.02.2002 schriftlich mit, er könne wegen der außerordentlich kurzen Vorlaufzeit von vier Werktagen die Betreuung seiner Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren nicht organisieren. Selbstverständlich sei er bereit, an einem Seminar teilzunehmen, dessen Termin er mindestens zwei bis drei Wochen im Voraus kenne, ebenso stehe er an einem Wochenendtermin zur Disposition.
Die Beklagte stellte daraufhin die Leistung ab 01.03.2002 ein und teilte dies dem Kläger durch Übersendung eines Leistungsnachweises vom 01.03.2002 mit. Hiergegen erhob er Widerspruch.
Mit Bescheid vom 11.04.2002 hob das AA Reutlingen die Bewilligung ab 26.02.2002 auf und forderte Alg und Versicherungsbeiträge in Höhe von 80,59 € zurück. Der Bescheid enthielt den Hinweis, er werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2002 wies das AA den Widerspruch zurück.
Am 15.05.2002 hat der Kläger Klage beim SG Reutlingen erhoben: Er sei zuletzt im Januar 2001 40 Stunden in der Woche bei einem Busunternehmer mit der Organisation und Begleitung von Reisen beschäftigt gewesen. Seine Ehefrau sei beim Landesdenkmalamt in Tübingen in Vollzeit beschäftigt. Die Organisation der Kinderbetreuung sei für ihn kein Problem, da auch in der Vergangenheit Nachbarn, Großeltern sowie eine in der Nähe wohnende Tagesmutter bei Bedarf zur Verfügung gestanden hätte. Dies setze jedoch voraus, dass feste Zeiten der Berufstätigkeit feststünden und Termine zwischen den Ehepartnern abgestimmt würden. Gerade am 26.02.2002 habe sich die Ehefrau auf Dienstreise befunden, dies habe am 21.02.2002 nicht mehr umorganisiert werden können. Wäre er jedoch darauf hingewiesen worden, dass bei Verweigerung der Teilnahme eine völlige Streichung des Alg in Frage komme, hätte er für die Zeit vom 26.02.2002 bis 28.02.2002 tagsüber für die Kinderbetreuung gesorgt. Die Aufforderung sei jedoch nur mit der Rechtsfolgenbelehrung betreffend einer Sperrzeit versehen gewesen.
Mit Urteil vom 01.04.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Gegen das ihm am 02.07.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.07.2003 Berufung eingelegt: Die Probleme, die Kinderbetreuung sicherzustellen, hätten sich ausschließlich auf den Zeitpunkt der Maßnahme bezogen, weil seine Frau an einer Fortbildung teilgenommen hätte. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Verfügbarkeit generell entfallen sein sollte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Reutlingen vom 01.04.2003 und den Bescheid vom 11.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger habe eindeutig erklärt, er benötige zwei bis drei Wochen, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Damit habe er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere übersteigt der Beschwerdewert die nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG maßgebliche Grenze von 500 €. Zum Zeitpunkt der Aufhebung hat der Kläger noch einen Restanspruch auf Alg von 96 Tagen gehabt. Bei dem Anspruch in Höhe von 19,23 € täglich ist ein über dem Grenzbetrag liegender Betrag st...