Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Entgeltumwandlung. Lohnverzicht. freiwillige Zusatzleistungen in Gestalt von Internetpauschalen, Kindergartenzuschüssen, Kosten für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte sowie Restaurantgutscheinen. arbeitsvertragliche Regelung. Beitragsfreiheit nur bei von der Grundvergütung getrennten Leistungen, nicht bei Surrogaten derselben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Prüfung, ob von einem Arbeitgeber durch Entgeltumwandlung gewährte Zusatzleistungen in Gestalt von Internetpauschalen, Kindergartenzuschüssen, Kosten für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte sowie Restaurantgutscheinen beitragspflichtiges Arbeitseinkommen gemäß § 14 Abs 1 S 1 SGB IV iVm § 1 Abs 1 S 1 SvEV darstellen, ist auf die arbeitsvertraglich geregelten Entgeltmodalitäten abzustellen. Insofern kommt es nicht auf die davor geltenden Vergütungsmodalitäten an, sondern es sind ausschließlich die im Zeitpunkt des Zuflusses der zu prüfenden Leistungen geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen zu prüfen (vgl BFH vom 1.8.2019 - VI R 32/18 = BFHE 265, 513 = juris RdNr 20 ff).

2. Vom Arbeitgeber durch Entgeltumwandlung unter Freiwilligkeitsvorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für die Zukunft gewährte Zusatzleistungen stellen dann kein beitragspflichtiges Einkommen dar, wenn es sich bei den freiwilligen Zusatzleistungen um von der Grundvergütung rechtlich getrennte Leistungen und nicht um Surrogate derselben handelt. Dies ist dann der Fall, wenn die durch die Entgeltumwandlung verminderte Grundvergütung auch bei Wegfall der Zusatzleistung weiterhin gilt und daher in einem solchen Fall nicht automatisch wieder Anspruch auf die Grundvergütung in der ursprünglichen Höhe besteht. Da allein die rechtliche Abtrennbarkeit und Eigenständigkeit maßgeblich ist, ist die Ausweisung der Verminderung der Grundvergütung als Lohnverzicht in den Gehaltsabrechnungen kein maßgebliches Kriterium. Wesentlich ist vielmehr, dass die Höhe und das Fortbestehen der Verringerung der Grundvergütung rechtlich getrennt und unabhängig vom Bestand der freiwilligen Leistungen vereinbart wurden.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.01.2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf 23.241,14 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Nachforderung der Beklagten von sozialversicherungsrechtlichen Beiträgen und Umlagen i.H.v. insgesamt 23.241,14 €.

Die Klägerin ist eine auf die Herstellung sowie den Import und Export von Furnieren spezialisierte GmbH mit Firmensitz in K1. Die Beigeladenen zu 1) bis 21) sind bzw. waren bei ihr abhängig beschäftigt. Aus den Entgeltabrechnungen mit den Beigeladenen zu 1) bis 21) ergibt sich die Vereinbarung eines Gehalts-/Lohnverzichtes. Diesem lag jeweils eine Änderung zum Arbeitsvertrag zugrunde, in welcher die bisherige Vereinbarung über die monatliche steuerpflichtige Vergütung jeweils um einen näher bestimmten Betrag bezogen auf die vertraglich vereinbarte Grundvergütung, nicht aber auf im Einzelnen weiter aufgeführte Zusatzentgelte reduziert wurde. Ebenfalls schloss die Klägerin mit den Beigeladenen zu 1) bis 21) im September und Oktober 2015 jeweils eine „Vereinbarung über Zusatzleistungen“. Hierin ist unter anderem geregelt, dass die Klägerin freiwillig und ohne Begründung einer Rechtspflicht auf weitere Zahlungen in der Zukunft zu den Aufwendungen der Arbeitnehmer für die Internetnutzung einen jährlichen Betrag von maximal 600,00 € leistet. Weiterhin besteht danach die freiwillige, ohne Begründung einer Rechtspflicht auf weitere Zahlungen in der Zukunft gewährte Leistung der Klägerin für Aufwendungen für Fahrten Wohnung - Arbeit in Höhe von maximal 40,50 € im Kalendermonat. Weiterhin erklärte sich die Klägerin für die freiwillige Gewährung eines Zuschusses zur Kinderbetreuung im Monat mit maximal einem Betrag in Höhe von 338,00 € ohne Begründung einer Rechtspflicht auf weitere Zahlungen in der Zukunft bereit. In der Vereinbarung wurde auch unter anderem die Bereitstellung von Restaurantschecks jeweils im Wert von 6,10 € und monatlich im Gesamtwert von 91,50 € geregelt. Die konkrete Art der vereinbarten Zusatzleistungen war bei den Beigeladenen zu 1) bis 21) unterschiedlich.

Vom 03.05.2018 bis 26.10.2018 führte die Beklagte bei der Klägerin hinsichtlich des Zeitraums vom 01.01.2014 bis 31.12.2017 eine Betriebsprüfung durch. Für die Zeit ab 01.01.2015 berechnete die Beklagte eine Nachforderung von Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sowie zu entrichtenden Umlagen in Höhe von insgesamt 23.241,14 €.

Die Beklagte sah die Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) bis 21) als sozialrechtlich unbeachtlich an und berechnete die Beitrags- und Umlageforder...

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