Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. ehemalige DDR. Kampfgruppenausbildung
Orientierungssatz
Tätigkeiten im Rahmen einer Kampfgruppenausbildung, die nach § 1 UVErwV in der ehemaligen DDR unter Unfallversicherungsschutz standen, gehören nicht zu den Versicherungsfällen nach dem Dritten Buch der RVO.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob ein Unfall, den der Kläger in der ehemaligen DDR erlitten hat und der dort als Arbeitsunfall anerkannt war, als Arbeitsunfall in der Bundesrepublik (BRD) zu entschädigen ist.
Der am 26.09.1956 geborene Kläger war in der DDR als Facharbeiter für Datenverarbeitung bei der Deutschen Post in B. beschäftigt. Am 04.05.1985 nahm er an einer Kampfgruppenausbildung teil. Bei einem 1000 Meterlauf in Uniform und mit MP auf einem Fahrweg mit ausgelegten Betonplatten stürzte er und zog sich dabei Abschürfungen an beiden Händen und im Gesicht sowie eine Deformierung des Gebisses zu. Dieser Unfall wurde der Arbeitsschutzinspektion beim FDGB gemeldet; er wurde als Unfall bei organisierter gesellschaftlicher Tätigkeit erfaßt.
Unter dem 04.11.1994 beantragte der Kläger die Anerkennung seines Unfalls als Arbeitsunfall bei der Berufsgenossenschaft der Straßen-, U-Bahnen und Eisenbahnen (BG Bahnen) und teilte mit, wegen des Arbeitsunfalls vom 04.05.1985 sei die Erstbehandlung in der Charite in B. erfolgt. 1988 seien die beschädigten Zähne überkront worden. Zwei der beschädigten Zähne hätten nunmehr gezogen und die Kronen erneuert werden müssen. Nach Ansicht seines behandelnden Arztes Dr. E. sei diese Behandlung auf den damaligen Unfall zurückzuführen. Er beantrage deswegen die Übernahme der Behandlungskosten durch die Berufsgenossenschaft (BG). Die BG Bahnen übersandte diesen Antrag mit Schreiben vom 15.11.1994 zuständigkeitshalber an die Beklagte, da sich der Unfall im Rahmen der Kampfgruppenausbildung ereignet habe.
Mit Schreiben (Bescheid) vom 24.11.1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Unfall könne nicht als Arbeitsunfall entschädigt werden, weil er erst nach dem 31.12.1993 bekannt geworden und außerdem kein Arbeitsunfall im Sinne der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei.
Hiergegen legte der Kläger am 13.12.1994 Widerspruch ein und behauptete, er habe nach der Wiedervereinigung die Personalabteilung seines damaligen Arbeitgebers (Deutsche Bundespost Telekom FA 6 B.) beauftragt, alle notwendige Schritte einzuleiten, um die Feststellung des Arbeitsunfalls nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen zu erreichen. Von der Meldepflicht bis zum 31.12.1993 habe er erst durch das Schreiben der Beklagten vom 24.11.1994 Kenntnis erhalten. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Deutsche Telekom, Niederlassung B. mit, sämtliche Unterlagen über den Kläger seien an die Telekom S. abgegeben worden. Diese übersandte die Akte an die Beklagte. Hierin war jedoch ein Antrag auf Unfallrente nicht enthalten (Vermerk Bl. 24 der Beklagtenakte). Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 18.08.1995 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 13.09.1995 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart und beantragte, den Bescheid der Beklagten vom 20.12.1994 (richtig: 24.11.1994) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.05.1985 Heilbehandlung (Kostenerstattung) in Höhe von 2910,57 DM zu gewähren.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Durch Urteil vom 04.12.1995 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 20.12.1994 (gemeint 24.11.1994) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.1995 auf und verurteilte die Beklagte, den Zahnschaden anläßlich des Unfalls vom 04.05.1985 als Folge eines im Sinne der RVO versicherten Unfalls mit den sich hieraus ergebenen Ansprüchen anzuerkennen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 15.03.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.04.1996 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, der vom SG vertretenen Auffassung könne nicht gefolgt werden. Der Unfall des Klägers sei einem Unfallversicherungsträger erst nach dem 31.12.1993 bekannt geworden. Die Tätigkeit des Klägers im Unfallzeitpunkt habe ausschließlich der Landesverteidigung gedient und somit nicht konkreten Interessen des Betriebes. Da für eine derartige Tätigkeit kein Unfallversicherungsschutz in der BRD bestanden habe, könne der geltend gemachte Unfall nicht als Arbeitsunfall im Sinne der RVO anerkannt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 04.12.1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und erwidert, zwar gebe es in der BRD keine Betriebskampfgruppen, aber in größeren Betrieben werde Betriebssport betrieben, der unter bestimmten Voraussetzungen unter Unfallversicherungsschutz stehe. Auch bei Betriebskampfgruppen hätten die...