Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Ermittlung des Bemessungsrahmens. Endzeitpunkt. Versicherungspflichtverhältnis. Arbeitsfreistellung. Bemessungszeitraum. Bemessungsentgelt. Berechnung

 

Orientierungssatz

1. Für die Ermittlung des Endzeitpunktes des Versicherungspflichtverhältnisses iS von § 130 Abs 1 S 2 SGB 3 iV mit § 24 Abs 4 SGB 3 gehört auch die Zeit zum versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, in der der Arbeitslose einvernehmlich und unwiderruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freigestellt war. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, die Rechtsfolgen des § 7 Abs 1a SGB 4, der die Freistellungsphase bei so genannten Arbeitszeitkonten-Modellen regelt, nur dann eintreten zu lassen, wenn das Arbeitsentgelt für die Zeit der Freistellung durch "Vorarbeiten" bzw das Ansammeln eines Wertguthabens vor Beginn der Freistellungsphase erworben worden ist.

2. Beginnt ein berücksichtigungsfähiger Gehaltabrechnungszeitraum vor dem Bemessungsrahmen und reicht er teilweise in diesen hinein, so ist auch dieser Gehaltabrechnungszeitraum in vollem Umfang in den Bemessungszeitraum iS von § 130 Abs 1 S 1 SGB 3 einzubeziehen, auch wenn schon ohne seine Berücksichtigung die erforderlichen Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erfüllt sind.

3. Bei der Berechnung des Bemessungsentgeltes iS von § 131 Abs 1 S 1 SGB 3 ist der Monat mit 30 Tagen anzusetzen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Mai 2007 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 8. Februar 2006 und 9. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2006 sowie unter Abänderung der Bescheide vom 23. Mai 2006 und 12. Januar 2007 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 31. Dezember 2005 bis 29. August 2008 Arbeitslosengeld nach einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 173,20 € zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Bemessung des Arbeitslosengeldes für die Zeit ab 31.12.2005 streitig.

Der am ... 1946 geborene Kläger ist verheiratet; das jüngste Kind ist am ... 1969 geboren. Der Kläger war ab 01.10.2000 als Vertriebsingenieur bei der Firma T, Zweigniederlassung Deutschland, versicherungspflichtig beschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug in den Jahren 2004 und 2005 mehr als 5.900 €; auf die vom Arbeitgeber unterschriebene Arbeitsbescheinigung vom 18.11.2005 wird verwiesen (Bl. 10/11 der Verwaltungsakte der Beklagten). Auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2005 waren die Steuerklasse III, aber kein Kinderfreibetrag eingetragen. Mit Schreiben vom 19.09.2005 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.12.2005. Die Kündigung wurde mit einem anhaltenden, krankheitsbedingten Abfall der Leistungsfähigkeit des Klägers nach einem im April 2004 erlittenen Herzinfarkt begründet.

In einer Erklärung vom 05.10.2005 teilte der Kläger der Agentur für Arbeit (AA) mit, er wolle Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beziehen. Altersrente ohne Rentenminderung könne er frühestens ab November 2011 beziehen, frühester Rentenbeginn mit Abschlag sei der 01.11.2009. Bei einem Telefongespräch mit einem Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit Ü am 18.11.2005 wurde der Kläger darüber informiert, dass in seinem Fall § 428 SGB III nicht mehr angewandt werden könne, da der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) erst am 01.01.2006 eintrete. Dem Kläger wurde geraten, sich vom behandelnden Arzt bestätigen zu lassen, dass er seine Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen wegen eines Herzinfarktes nicht mehr ausüben könne. In diesem Falle könnten ohne Rechtsfolgen eine Kündigung, ein Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung zum 30.12.2005 erfolgen. Daraufhin schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin am 23.11.2005 einen "Aufhebungsvertrag zur Kündigung vom 19.09.2005." Danach endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.12.2005 (§ 1). Der Kläger erhält eine Abfindung in Höhe von 40.000,00 € (§ 3) und wird mit Wirkung zum 01.12.2005 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung ggf. noch zustehenden Urlaubs- und eventueller zusätzlicher Freizeitansprüche unwiderruflich freigestellt (§ 4). Zu Beginn der Freistellung am 01.12.2005 waren die Abrechnungszeiträume von November 2004 bis Oktober 2005 abgerechnet. Das Arbeitsentgelt (einschließlich Einmalzahlungen) betrug in diesem Zeitraum insgesamt 77.701,00 €.

Am 25.11.2005 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 31.12.2005 arbeitslos. Er legte die ärztliche Bescheinigung des Privatdozenten Dr. K vom 18.11.2005 vor. Darin wurde ihm aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes empfohlen, seine momentan ausgeübte berufliche Tätigkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden. Ferner legt...

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