Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung des Arbeitslosengeld II. Meldeversäumnis. Nachweis des Zugangs der Meldeaufforderung durch den Grundsicherungsträger

 

Leitsatz (amtlich)

Eintragungen einer Zustellerfirma auf einer sog “Rollkarte„, wonach an einem bestimmten Tag im Auftrag der Behörde ein Schreiben an die Adresse des Klägers ausgeliefert worden ist, genügen nicht als Nachweis für den Zugang einer Meldeaufforderung nach § 59 SGB 2 iVm § 309 SGB 3.

 

Orientierungssatz

Wird der Zugang einer Meldeaufforderung bestritten, trägt der Grundsicherungsträger die Beweislast für den Zugang. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufforderung als Verwaltungsakt anzusehen ist oder nicht.

 

Normenkette

SGB II §§ 59, 31 Abs. 2 Fassung: 2004-07-30, §§ 24, 20; SGB III § 309; GG Art. 19 Abs. 4 S. 1

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9. November 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2005 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Klage- und im Berufungsverfahren.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem diese entschieden hat, dass der dem Kläger zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.07.2005 um 10 vom Hundert der Regelleistung abgesenkt wird.

Der 1958 geborene Kläger, seine 1961 geborene Ehefrau und die 1990 (G.), 1992 (R.), 1997 (C.) sowie 1986 (B.) geborenen Kinder bewohnten im Jahr 2005 eine gemeinsame Wohnung (4 Räume, 1 Küche, 1 Bad, Gesamtgröße 101 m², Gesamtmiete monatlich 744,99 € einschließlich Vorauszahlungen für Heizkosten monatlich 36,-- €, für Betriebskosten monatlich 81,-- € und für Wasser/Abwasser monatlich 81,-- €). Der Kläger, seine Ehefrau und die drei (damals) minderjährigen Kinder beziehen seit 01.01.2005 Leistungen der Grundsicherung von der beklagten Arbeitsgemeinschaft.

Am 21.02.2005 veranlasste die Beklagte die Versendung einer Einladung des Klägers zu einem Meldetermin, die folgenden Text haben sollte:

“Bitte kommen Sie am 01.03.05 um 09.15 Uhr in die Agentur für Arbeit F., L. Str. .., Zimmer C .... Grund: Ich möchte mit Ihnen über Ihr Bewerberangebot bzw. Ihre berufliche Situation sprechen.„

Der Auftrag zur Versendung dieses Schreibens wurde der Zustellerfirma “a.„ erteilt. Ob der Kläger dieses Schreiben erhalten hat, ist zwischen den Beteiligten streitig. Der Kläger erschien zum Termin am 01.03.2005 nicht.

Ohne den Kläger vorher anzuhören, entschied die Beklagte mit Bescheid vom 19.04.2005, dass die dem Kläger zustehende Regelleistung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 Abs. 2, Abs. 6 SGB II für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.07.2005 um 10 v.H., höchstens jedoch in Höhe des dem Kläger zustehenden Auszahlbetrages, abgesenkt wird. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung werde insoweit für diesen Zeitraum gemäß § 48 Abs. SGB X aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger sei trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 01.03.2005 nicht erschienen und ein wichtiger Grund hierfür sei nicht ersichtlich.

Mit Bescheid vom 27.04.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger sowie seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen minderjährigen Kindern (G., R. und C.) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.279,79 € für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005. Eine Absenkung der dem Kläger zustehenden Regelleistung aufgrund des Bescheides vom 19.04.2005 erfolgte nicht. Auf den Widerspruch des Klägers änderte die Beklagte diese Entscheidung ab und bewilligte dem Kläger, seiner Ehefrau und den drei minderjährigen Kindern für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2005 mit Bescheid vom 13.06.2005 Leistungen in Höhe von monatlich 1.333,96 €. Die Beklagte zog den Pauschbetrag von 30 € für private Versicherungen vom Einkommen des Klägers ab und verzichtete darauf, bei den Kosten für die Heizung einen Abzug für die Warmwasseraufbereitung zu machen, weil die Aufwendungen hierfür im Heizkostenanteil nicht enthalten waren. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2005 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 28.06.2005 Klage beim SG (S 12 AS 2606/05), die das SG mit Beschluss vom 02.08.2005 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zum Verfahren S 12 AS 245/05 verband. Mit Urteil vom 08.09.2005 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung der ergangenen Bescheide, ua dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.10.2005 Leistungen nach dem SGB II in der Form zu erbringen, dass beim Einkommen des Klägers das Kindergeld für die am 23.05.1986 geborene Tochter in Höhe von 160,25 € nicht mehr als einzusetzendes Einkommen berücksichtigt wird. Im Übrigen wies es die Klagen ab. Auf die Berufung der Beklagten hob der Senat das Urteil des SG auf und wies die Klagen mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 15.09.2006 insgesamt ab (L 8 AS 5071/05).

Gegen den Bescheid vom 19.04.200...

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